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Just Kids

Titel: Just Kids Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Smith
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Friedmans Freund Dennis Florio in dessen Galerie rahmen lassen. Alle hatten dazu beigetragen, die Ausstellung zum Erfolg zu machen. Ich spürte, dass ich meine Nische gefunden hatte, dass meine Bilder und Gedichte Anerkennung fanden. Es bedeutete mir viel, meine Arbeiten ausgerechnet in dem Buchladen hängen zu sehen, der 1967 keine Stelle für mich frei gehabt hatte.
    Witt unterschied sich deutlich von Seventh Heaven. Während die Gedichte in Seventh Heaven noch leichter, rhythmischer und eher am »Spoken Word« orientiert waren, konzentrierte sich Witt auf Prosagedichte, in denen sich der Einfluss der französischen Symbolisten bemerkbar machte. Andy war von meiner Entwicklung beeindruckt und versprach mir, wenn ich eine Monografie über Rimbaud schriebe, würde er sie veröffentlichen.
    In mir reifte ein neuer Plan, den ich Robert und Sam vortrug: Da aus meiner Äthiopienreise nichts geworden war, fand ich, könnte ich zumindest eine Pilgerfahrt nach Charleville in Frankreich unternehmen, Rimbauds Geburtsort, in dem er auch begraben liegt. Sam ließ sich ein wenig von meiner Begeisterung anstecken und bot mir an, die Reise mitzufinanzieren. Robert hatte keine Einwände, da es in Frankreich keine Hyänen gab. Ich wollte im Oktober reisen, dem Monat, in dem Rimbaud geboren war. Robert zog mit mir los, um mir einen anständigen Hut zu kaufen, und wir fanden einen aus weichem braunen Filz mit einem grobgerippten Seidenband. Sam schickte mich zum Optiker, wo mir eine John-Lennon-Gedächtnisbrille, ein Kassengestell, verpasst wurde. Eingedenk meiner Gabe, Dinge zu verlieren, hatte Sam mir gleich Geld für zwei baugleiche Brillen mitgegeben, doch ich kaufte mir lieber noch eine absolut unpraktische italienische Sonnenbrille, mit der höchstens Ava Gardner durchgekommen wäre. Mit weißer Katzenaugenfassung und in einem grauen Tweed-Etui mit dem Aufdruck Milan.

    In der Bowery fand ich einen locker fallenden Regenmantel aus gelbgrüner, gummierter Seide, eine Hahnentritt-Leinenbluse von Dior, eine braune Hose und eine grau-beige Strickjacke: für ganze dreißig Dollar eine komplette Garderobe, die man nur durchwaschen und hier und da ein bisschen ausbessern musste. In meinen karierten Koffer kamen meine Baudelaire-Krawatte und mein Notizbuch, Robert tat noch eine Postkarte von Jeanne d’Arc dazu. Sam gab mir ein silbernes koptisches Kreuz aus Äthiopien, und Judy Linn lieh mir ihre Kleinbildkamera und erklärte mir, wie sie funktionierte. Meine Freundin, die Dichterin Janet Hamill, war gerade von ihrer Afrikareise zurückgekehrt, die sie auch durch die Gegend meiner Träume geführt hatte, und hatte mir eine Handvoll blauer Glasperlen als Souvenir mitgebracht, verschrammte Handelsperlen aus Harar – Perlen, mit denen auch Rimbaud gehandelt hatte. Ich steckte sie mir als Glücksbringer in die Tasche.
    Nun war ich für meine Reise rundum gewappnet.

    Mein unpraktischer Regenmantel schützte mich kaum gegen den kalten Nieselregen im herbstlichen Paris. Ich ging noch einmalein paar der Wege ab, die meine Schwester und ich im Sommer 1969 gegangen waren, doch ohne Lindas fröhliche Gesellschaft wirkten der Quai Victor Hugo, La Coupole und die verzauberten Cafés und Straßen recht trostlos. Ich marschierte, wie wir es damals getan hatten, den Boulevard Raspail rauf und runter und fand schließlich unsere Unterkunft in der Rue Campagne-Première Nr. 9 wieder. Ich stand eine Weile im Nieselregen. 1969 hatte mich diese Straße magisch angezogen, weil so viele Künstler hier gewohnt hatten. Verlaine und Rimbaud. Duchamp und Man Ray. Hier, in dieser Straße, hatte Yves Klein sein berühmtes Blau ersonnen und Jean-Luc Godard große Teile von Außer Atem gedreht. Ich ging weiter bis zum Friedhof Montparnasse und besuchte die Gräber von Brancusi und Baudelaire.
    Ich ließ mich von der Rimbaud-Biografin Enid Starkie leiten und fand das Hôtel des Étrangers in der Rue Racine. Laut Starkie hatte Arthur hier im Zimmer des Komponisten Cabaner genächtigt. In der Lobby war er einmal schlafend im Haschischrausch aufgefunden worden, in einen zu weiten Mantel gehüllt und einen zerknautschten Filzhut auf dem Kopf. Der Portier begegnete mir mit freundlichem Spott. Ich erklärte ihm in meinem grauenhaften Französisch Sinn und Zweck meiner Reise und warum ich unbedingt in diesem Hotel übernachten müsste. Er zeigte zwar Verständnis, aber die Zimmer waren alle belegt. Ich hatte nicht mehr die Kraft, mich noch einmal dem Regen draußen

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