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Just Kids

Titel: Just Kids Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Smith
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gemeinsam, suchten nach Teilen für Assemblagen, fotografierten und behielten im Auge, wie der andere mit seiner Arbeit vorankam.
    Obwohl Robert nun sein eigenes Reich hatte, ließ ihm seine finanzielle Lage immer noch keine Ruhe. Er wollte nicht vollkommen von Sam abhängig sein und war entschlossener denn je, aus eigener Kraft den Durchbruch zu schaffen. Ich hing komplett in der Luft, nachdem ich aus der Twenty-third Street ausgezogen war. Meine Schwester Linda besorgte mir einen Teilzeitjob im Strand Book Store. Ich kaufte stapelweise Bücher, las sie aber nicht. Ich klebte Papierbögen an die Wand, zeichnete aber nicht. Meine Gitarre schob ich unters Bett. Ich saß nachts allein herum und wartete. Wie schon so oft beschäftigte mich die Frage, wie ich es anfangen konnte, irgendetwas Relevantes aus mir herauszuholen. Jede Idee, die mir kam, erschien mir entweder deplatziert oder beliebig.
    Am Neujahrstag zündete ich eine Kerze für Robert Clemente an, den Lieblingsbaseballer meines Bruders. Er war bei einem humanitären Einsatz für die Erdbebenopfer in Nicaragua ums Leben gekommen. Ich geißelte mich für meine Untätigkeit und Willensschwäche und beschloss, mich wieder zum Arbeiten zu zwingen.
    Am selben Abend saß ich auf dem Boden von St. Mark’s bei der jährlichen Marathon-Lesung. Es war eine Benefizveranstaltung für die Kirche, an der alle teilnahmen, die sich für den Fortbestand des Poetry Projects engagierten. Ich ließ etliches davon über mich ergehen und taxierte die Dichter. Ich wäre selbst gernDichterin gewesen, aber ich wusste, dass ich nie in deren inzestuöse Gemeinschaft passen würde. Mich auf das gesellschaftliche Hickhack dieser Szene einzulassen war das Letzte, was ich wollte. Ich dachte daran, was meine Mutter immer sagte: Was du am Neujahrstag tust, wird dich auch den Rest des Jahres beschäftigen. Ich wurde vom Geist meines Schutzheiligen Gregor(y) erfasst und gelobte, dass mein Jahr 1973 im Zeichen der Lyrik stehen würde.
    Manchmal ist die Vorsehung freundlich gesinnt, denn Andy Brown bot mir wenig später an, ein Buch mit meinen Gedichten zu veröffentlichen. Die Aussicht, von Gotham Book Mart verlegt zu werden, beflügelte mich. Andy Brown hatte lange mitangesehen, wie ich in seiner historischen Buchhandlung in der Diamond Row herumhing und mir erlaubt, meine Pamphlete und Flyer auf ihren Ladentheken auszulegen. Die Aussicht, nun selbst Gotham-Autorin zu werden, erfüllte mich mit heimlichem Stolz, vor allem, wenn ich das Motto des Ladens ansah: Wise men fish here .
    Ich zerrte meine Hermes 2000 unter dem Bett hervor. (Meine Remington hatte den Geist aufgegeben.) Sandy Pearlman merkte an, dass Hermes ja der geflügelte Götterbote sei, der Schutzheilige der Schäfer und Diebe, darum wagte ich zu hoffen, dass die Götter mir die entsprechende Schäfer- und Diebes-Lingo eingeben würden. Ich hatte jede Menge Zeit totzuschlagen. Zum ersten Mal seit fast sieben Jahren hatte ich keinen festen Job. Allen zahlte unsere Miete, und ich verdiente mir mein Taschengeld bei Strand. Sam und Robert luden mich jeden Nachmittag zum Essen ein, und abends machte ich mir Couscous in meiner hübschen kleinen Küche, es fehlte mir also an nichts.
    Robert bereitete seine erste Ausstellung mit Polaroids vor. Die Einladung kam in einem cremefarbenen Tiffany-Umschlag: ein Selbstporträt, seine Körpermitte, nackt im Spiegel, die Land 360 vor seinem Schritt. Man erkannte ihn sofort an den markanten, hervortretenden Adern auf seinen Unterarmen. Seinen Schwanz hatte er mit einem großen weißen Papierpunkt verdeckt, und untenrechts mit Handstempel seinen Namen hingesetzt. Robert war der Überzeugung, die Ausstellung finge schon mit der Einladung an, und jede einzelne sollte ein verführerisches Geschenk sein.
    Die Eröffnung in der Light Gallery fiel auf den 6. Januar, den Geburtstag von Jeanne d’Arc. Robert schenkte mir ein Silbermedaillon mit ihrem Porträt und dem französischen Lilienwappen. Eine ansehnliche Menschenmenge fand sich ein, die perfekte New Yorker Mischung aus Lederschwulen, Drag Queens, Society-Schönheiten, Rock’n’Roll-Kids und Kunstsammlern. Man versammelte sich erwartungsvoll, vielleicht auch mit unterschwelligem Neid. In seiner kühnen, eleganten Ausstellung trafen klassische Motive auf Sex, Blumen und Porträts, alle absolut gleichwertig präsentiert: selbstbewusste Bilder von Cockringen hingen neben einem Blumenarrangement. Robert bedeutete das eine so viel wie das andere.

    Ich

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