Just Kids
irgendwelchen Auktionen und reiste auf der Jagd nach einer bestimmten Fotografie nicht selten bis nach Europa. Robert begleitete ihn auf diesen Expeditionen und stand ihm beratend zur Seite. Er hatte dadurch Gelegenheit, Werke von Künstlern, die er bewunderte, von Nadar bis Irving Penn, aus nächster Nähe in Augenschein zu nehmen.
Robert drängte Sam, so wie früher schon John McKendry, seinen Einfluss zu nutzen, um den Stellenwert der Fotografie in der Kunstwelt zu steigern. Im Gegenzug ermutigten beide Männer Robert, sich in erster Linie der Fotografie als künstlerischem Ausdrucksmittel zuzuwenden. Sam, der zuerst skeptisch gewesen war, ging jetzt völlig darin auf und gab ein kleines Vermögen für seine fotografische Sammlung aus, die eine der bedeutendsten in den USA werden sollte.
Robert hatte für seine eigenen Aufnahmen ursprünglich die unkomplizierte 360-Land-Polaroid benutzt. Bei ihr konnte man auf einen Belichtungsmesser verzichten, und die Einstellungsmöglichkeiten waren denkbar rudimentär: dunkler, heller. Kleine Icons zeigten die Entfernung an: ganz nah, nah, weit. Diese simple Kamera hatte hervorragend zu seinem ungeduldigen Naturell gepasst. Dann war er direkt zur größerformatigen Hasselblad gewechselt, die ihm aus der Wohnung in der Twenty-third Street gestohlen worden war.
Nach dem Umzug in die Bond Street kaufte Robert eine mit Polaroid-Rückteil ausgestattete Graphic-Kamera. Deren 4x5-Format lag ihm. Polaroid stellte nun auch Positiv-Negativ-Filme her, was es ermöglichte, Abzüge ohne Duplikat-Negativ herzustellen. Dank Sams Unterstützung verfügte er nun endlich überdie finanziellen Mittel, in jedem Foto genau das umzusetzen, was ihm vorschwebte, und sich von einem Schreiner, Robert Fosdick, aufwendig gestaltete Rahmen bauen zu lassen. Robert gebrauchte seine Fotografien also keineswegs nur als Material für seine Collagen. Fosdick hatte ein Gespür für Roberts künstlerische Intentionen und setzte seine Entwürfe akribisch genau zu skulpturalen Rahmen für die Präsentation von Roberts Fotografien um, es war eine Synthese von geometrischen Konstruktionen, Flächen und Bildern.
Diese Rahmen erinnerten sehr an die Skizzen in Roberts Notizbuch, das er mir 1968 gegeben hatte. Wie früher stand ihm das Endprodukt praktisch von Anfang an exakt vor Augen. Doch nun konnte er zum ersten Mal seine Ideen wirklich umsetzen. Das verdankte er in erster Linie Sam, der nach dem Tod seiner geliebten Mutter zu noch mehr Geld gekommen war. Robert verkaufte einige Arbeiten, denn er war nach wie vor von dem Wunsch getrieben, es auch alleine zu schaffen.
Robert und ich machten viele Fotos im Loft auf der Bond Street. Mir gefiel die Atmosphäre dort, und ich denke, uns gelangen wirklich gute Aufnahmen. Sie entstanden einfach vor dem Hintergrund der gekalkten Backsteinwände und sind in das wunderbare New Yorker Licht gebadet. Die Aufnahmen wurden unter anderem deswegen so gut, weil ich dort nicht in meinem gewohnten Umfeld war. Ich konnte mir keinen meiner Lieblingsgegenstände greifen, um damit unnötige Unruhe ins Bild zu bringen, mich darüber zu identifizieren oder dahinter zu verstecken. Selbst als Robert und ich uns als Paar trennten, gewannen die Aufnahmen eher noch an Intimität, denn aus ihnen sprach nichts als unser uneingeschränktes gegenseitiges Vertrauen.
Manchmal saß ich aber auch einfach bloß da und schaute zu, wie er sich selbst in seinem gestreiften Morgenrock fotografierte, wie er ihn dann nach und nach abstreifte und schließlich nackt war, ganz in Licht getaucht.
Als Umschlagfoto für Witt, meinen neuen Gedichtband,schwebte mir etwas in der Art eines Heiligenbildchens vor, etwas mit einer religiösen Anmutung. Obwohl Robert Regieanweisungen hasste, war er sicher, es uns beiden recht machen zu können. Ich besuchte ihn in seinem Loft und ging zuallererst unter die Dusche, um frisch und frei zu sein. Dann kämmte ich mir das Haar aus dem Gesicht und hüllte mich in ein altes tibetisches Gewand aus teefarbener Baumwolle. Robert machte zunächst nur ein paar Aufnahmen und sagte, er habe das passende Foto fürs Cover schon im Kasten, aber dann war er so angetan von den Bildern, dass er weiterfotografierte.
Am 17. September gab Andy Brown eine Party anlässlich der Veröffentlichung meines Buches und der ersten Ausstellung meiner Zeichnungen. Robert hatte meine Zeichnungen durchgesehen und die Auswahl für die Ausstellung getroffen. Sam hatte sie auf seine Kosten von Jane
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