Just Listen - Roman
durch den Kopf –, und dann, als ich ihn gerade auf meinem Bein spürte, mich ein letztes, verzweifeltes Mal wand, sah ich einen dünnen silbrigen Lichtstreifen über uns, der die Dunkelheit durchdrang.
Ein heller Faden zog sich durch die Finsternis. Zum ersten Mal konnte ich wieder etwas sehen, ein Stück seinesNackens erkennen, die Sommersprossen darauf … die feinen, blonden Härchen auf dem Arm, der um mich geschlungen war … ein winziges Stück pinkfarbenen Wildleders … und in dem Moment, da er mich wegstieß, seine Augen. Blau. Die Pupillen weiteten sich, verengten sich, weiteten sich wieder, während der Lichtstrahl stetig breiter wurde. Blitzartig rappelte er sich hoch.
Ich setzte mich ebenfalls auf. Mein Herz schlug wie rasend. Zog die Jeans hoch, schaffte es irgendwie, sie zu schließen. Konzentrierte mich so umständlich darauf, als wäre das in diesem Augenblick das Allerwichtigste überhaupt. Ich wurde gerade fertig, als das Deckenlicht über uns aufleuchtete. Sophie stand in der Tür.
Mich sah sie als Erstes, bevor sie den Kopf wandte und Will Cash entdeckte, der inzwischen hinter mir auf dem Bett saß. »Will?« Ihre Stimme klang unnatürlich hoch und angespannt. »Was geht hier ab?«
Will
, dachte ich. Schlagartig spürte ich wieder, wie sein Arm meinen Mund verschloss, seine Hände meine Augen zupressten. Und wie er vorhin neben mir in der Nische gestanden hatte, so nah. Zu nah.
Das war Will.
»Keine Ahnung.« Er zuckte die Achseln, fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Sie hat nur …«
Sophie starrte ihn lange schweigend an. Über den Flur in ihrem Rücken konnte ich Lachen hören. Emily, Michael … bestimmt spielten sie immer noch Billard. Bestimmt warteten sie auf mich.
Sophie wandte sich mir zu. »Annabel?« Sie trat einen Schritt ins Zimmer, ließ den Türpfosten jedoch nicht los. »Was machst du da?«
Ich fühlte mich wie erschlagen. Zerschlagen. Alles war zerschlagen. Ich. Alles, was gerade passiert war. LediglichBruchstücke, keine Teile irgendeines Ganzen. Ich stand auf, strich, so gut es ging, mein Top glatt. »Nichts.« Das kam als Keuchen raus. Ich versuchte zu schlucken. »Ich war –«
Sophie schaute derweil wieder zu Will hinüber. Und obwohl sie mich nicht unterbrochen hatte, hörte ich auf zu reden. Er erwiderte ihren Blick ebenso unverwandt. Kein Muskel zuckte in seinem Gesicht. Nicht einer. »Irgendjemand«, sagte Sophie, »sollte allmählich damit loslegen, mir zu erklären, was hier läuft. Und zwar sofort.«
Doch keiner von uns sagte ein Wort. Jedes Mal, wenn ich später an die Situation zurückdachte, konnte ich es nicht fassen, dass ich in jenem Moment anscheinend wirklich auf jemand anderen gehofft hatte, der Sophie erzählen würde, was geschehen war. Als wäre ich selbst gar nicht dabei gewesen; als hätte ich niemals Worte dafür finden können.
»Will, sag endlich was«, forderte Sophie ihn auf.
»Was denn? Ich habe auf dich gewartet, dann kam sie vorbei …« Er stockte, schüttelte den Kopf, ließ Sophie nicht aus den Augen. »Ich weiß auch nicht.«
Sophie nahm erneut mich ins Visier. Einen Moment lang sahen wir einander stumm an. Sie
musste
merken, dass etwas nicht stimmte. Das brauchte ich ihr doch nicht noch extra zu sagen. Ich war keines von den Mädchen, derentwegen wir nächtelang suchend durch die Stadt gedüst waren. Wir waren Freundinnen. Beste Freundinnen. Das glaubte ich tatsächlich. Damals.
Ihr Mund verzerrte sich. Ich sah, wie ihre Lippen sich aufeinanderpressten. »Du Schlampe!«
Im Nachhinein wurde mir klar, wie idiotisch es war: Doch in dem Augenblick dachte ich tatsächlich, ich hättemich verhört. Sie missverstanden. »Bitte?«, fragte ich nach.
»Du verdammte Hure!« Sophies Stimme wurde allmählich lauter. Sie zitterte zwar noch ein bisschen, gewann aber trotzdem zunehmend an Stärke. »Ich fasse es nicht.«
»Sophie«, sagte ich. »Warte, ich habe nicht –«
»Du hast was nicht?« An Sophie vorbei sah ich auf einmal Schatten an der gegenüberliegenden Wand des Korridors, die sich im Näherkommen ausdehnten. Gleich tauchen hier Leute auf, dachte ich. Leute, die alles hören würden. Leute, die alles verstehen würden. »Du denkst, du kannst mit meinem Freund ficken, einfach so, auf einer Party, und ich kriege nichts davon mit?«
Mein Mund öffnete sich, das spürte ich. Doch es kam kein Ton heraus. Ich stand nur da und starrte sie an. Emily erschien hinter Sophie im Türrahmen und versuchte
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