Just Listen - Roman
Schwester gewesen, die mich ausleichter Entfernung beobachtet hatte, als ich das Ende des Laufstegs erreichte. Darauf hätte ich jede Wette abgeschlossen. Und gewonnen.
Ich spürte eine Hand auf meinem Arm, drehte mich um. Mrs McMurty, neben der ein hochgewachsener, grauhaariger Mann im Anzug stand. »Annabel.« Sie lächelte mich an. »Darf ich dir Mr Driscoll vorstellen, den Marketingchef vom
Kaufhaus Kopf
. Er wollte dich gern persönlich kennenlernen.«
»Hallo«, sagte ich. »Freut mich.«
»Gleichfalls.« Mr Driscoll gab mir die Hand. Sie war trocken und kühl. »Wir sind alle richtige Fans von Ihnen seit dem Werbespot, den Sie im Frühjahr für uns gedreht haben. Fand ich toll.«
»Danke.«
»Fabelhafte Modenschau.« Im Weggehen nickte er meinen Eltern lächelnd zu. Dann verschwanden er und Mrs McMurty wieder im Gewühl. Meine Mutter blickte ihnen ganz aufgeregt und begeistert nach. Drückte erneut meinen Arm.
»Annabel!« Mehr sagte sie nicht, aber ich hatte trotzdem verstanden. Laut und deutlich.
Über ihren Kopf hinweg entdeckte ich auf einmal Mrs Shuster. Sie stand am hinteren Bühnenrand, hielt einen Mantel über dem Arm, blickte auf die Uhr. Sah sich besorgt um. Doch im nächsten Moment entspannte sich ihre Miene, denn Emily kam auf sie zu. Ihr Haar war noch hochgesteckt, abgeschminkt hatte sie sich auch nicht, trug aber wieder ihre Alltagsklamotten. Sprach mit niemandem, während sie sich durch die Menge schob.
»Ich gehe mich auch mal umziehen«, sagte ich zu meinen Eltern. »Diese Schuhe bringen mich sonst noch um.«
Meine Mutter nickte, gab mir einen Kuss. »Ja, tu das.« Eben ging Mr Driscoll wieder an uns vorbei, diesmal ohne Mrs McMurty. Meine Mutter sah ihm nach, während sie fortfuhr: »Soll ich dir einen Teller warm stellen?«
»Äh … eigentlich wollten einige von uns noch Pizza essen gehen. Du weißt schon, ein bisschen feiern, dass die Modenschau glücklich überstanden ist.«
»Ach so. Na gut. Aber du bist bestimmt ziemlich erschöpft. Also komm bitte nicht zu spät heim, in Ordnung?«
Ich nickte. Blickte wieder an ihr vorbei, zu Mrs Shuster, die Emily mit ernstem Gesicht den Mantel reichte. Emily zog ihn rasch an. Mrs Shuster ließ die Hand sanft streichelnd über den Arm ihrer Tochter gleiten. Die beiden gingen Richtung Ausgang. Rasch wandte ich mich wieder meiner Mutter zu. »Ich bleibe nicht zu lange weg.«
»Bis elf, spätestens.« Mein Vater beugte sich zu mir herunter und umarmte mich. »Okay?«
»Klar«, erwiderte ich.
Ich zog mich um, lief zu meinem Wagen, fuhr quer durch die Stadt – und redete mir die ganze Zeit gut zu, ich müsse das, was mit Emily passiert war, aus meinen Gedanken streichen. Ich freute mich darauf, ins
Bendo
zu gehen, war fest entschlossen mich zu amüsieren. Oder es zumindest zu versuchen.
Und zwar ab genau jetzt.
»Und?«, fragte ich Owen, der wieder Richtung Bühne schaute. »Was habe ich bisher verpasst?«
»Nicht viel«, antwortete er. Plötzlich rempelte mich jemand von hinten so stark an, dass ich nach vorne geschleudert wurde. Geistesgegenwärtig packte Owen mich amArm, hielt mich fest. »Hoppla«, sagte er. »Man muss in dem Irrenhaus hier echt aufpassen, wo und wie man steht.« Von der Bühne her ertönte eine mordsmäßige Rückkopplung, worauf ein paar Leute zu unserer Linken prompt mit einem lautstarken Buuuh-Konzert reagierten. Owen neigte sich näher an mein Ohr: »Wie war deine Modenschau?«
Ich wollte ihn nicht anlügen. Wusste gleichzeitig, dass ich ihm nicht alles erzählen konnte, was geschehen war – nicht hier, nicht heute Abend. Vielleicht nie. »Es ist vorbei«, erwiderte ich. Was in gewisser Weise ja auch stimmte.
»So gut, mh?« Ein großes Mädchen in einem paillettenbesetzten Top drängelte sich an uns vorbei. Sie hielt einen Becher in der Hand, aus dem ständig etwas überschwappte.
Ich lächelte. »Ja, kann man sagen.«
»Keine Panik. Sobald die Band auftritt, kann dieser Abend für dich nur noch besser werden. Im Gegenteil: Er wird noch richtig cool.«
»Meinst du?«
»Ich
weiß
es«, erwiderte er. In dem Augenblick wurde er angerempelt, und zwar heftigst. Ein Typ im schwarzen Mantel, Handy am Ohr, schob sich rücksichtslos an uns vorbei. Owen warf ihm einen schiefen Blick zu, doch der Kerl zuckte bloß ungerührt die Achseln, ging einfach weiter. »Okay. Zeit für einen radikalen Ortswechsel. Los, komm.«
Owen drehte sich um und bahnte sich einen Weg durchs Publikum. Ich tat mein Bestes,
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