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Just Listen - Roman

Just Listen - Roman

Titel: Just Listen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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Stattdessen   – aus welchem Grund auch immer   – ging ich tatsächlich zu Sophie hinüber. Erreichte sie in dem Moment, als sie die Zeitschrift, deren Titelbild ganz der aktuellsten, spektakulären Promi-Scheidung gewidmet war, ins Regal zurückstopfte.
    »Hi.«
    Sophie zuckte leicht zusammen, drehte sich um. Als sie mich sah, verengten sich ihre Augen zu Schlitzen. »Was willst du?«
    Ich hatte mir nicht überlegt, was ich sagen wollte. Und selbst wenn   – es wäre nur noch schwerer geworden. »Hör mal   …« Ich warf einen Blick in den nächsten Gang, wo meine Mutter interessiert eine Medikamentenwerbung betrachtete. »Ich wollte nur   –«
    »Wie kommst du überhaupt dazu, mich anzulabern?« Ihre Stimme war laut, viel lauter als meine. »Ich habe dir nichts zu sagen.«
    »Sophie.« Ich flüsterte beinahe. »Es war nicht so, wie du denkst.«
    »Wie
ich
denke? Jetzt bist du also auch noch Hellseherin, nicht nur Schlampe?«
    Ich merkte, wie ich bei dem Wort rot wurde. Unwillkürlich sah ich noch einmal zu meiner Mutter hinüber. Ob sie uns wohl hören konnte? Doch sie erwiderte meinen Blick mit einem Lächeln und nickte zu uns, bevor sie weiterlief, in den nächsten Gang.
    »Probleme, Annabel? Lass mich raten: euer übliches Familiendrama?«
    Ich schaute sie verwirrt an. Bis es mir wieder einfiel: So was in der Art hatte ich zu Will gesagt, als wir an jenem Abend in der Nische standen. Weshalb ich das getan hatte, war mir bis heute nicht klar. Es war so idiotisch gewesen, ihm überhaupt auch nur ansatzweise mein Herz auszuschütten. Und natürlich hatte er ihr prompt davon erzählt, es geschickt gegen mich verwendet. Ich konnte ihn förmlich vor mir sehen: Lang und schmutzig hatte er Sophie beschrieben, wie ich mich ihm erst anvertraut hatte und ihm anschließend die Treppe hinauf gefolgt war. »KeineAhnung«, hatte er an jenem Abend gemeint, als ich   – wir beide   – auf eine Erklärung von ihm wartete, »sie hat nur   …«
    »Wenn du weißt, dass der Kerl, mit dem du redest, eine Freundin hat   – besonders, wenn
ich
diese Freundin bin   –, lässt du die Finger von ihm und machst nichts, das man missverstehen könnte.« Zitat Sophie, von vor einigen   – vor endlos vielen   – Monaten, wie mir schien. »In so einem Fall hat man die Wahl, Annabel. Es ist allein deine Sache, was du tust, wie du dich entscheidest. Und sofern man sich falsch entscheidet und das Ganze ein Nachspiel hat, muss man sich leider an die eigene Nase fassen.«
    So einfach war das. Für Sophie. Ich wusste, dass es nicht stimmte. Trotzdem begann ich auf einmal zu zweifeln. Bekam Schiss. Denn wie aus Puzzleteilen fügte sich die Geschichte in diesem Moment für mich noch einmal neu zusammen, und zwar aus Sophies Perspektive. Die alles, aber auch alles gegen mich verwendete. Was, wenn meine schlimmsten Befürchtungen wahr wurden? Mir niemand glaubte, selbst wenn ich alles erzählt hätte oder noch erzählen würde? Oder, noch schlimmer: Wenn man mir die Schuld daran gäbe?
    Mein Magen drehte sich; der widerliche Geschmack, den ich nur allzu gut kannte, stieg mir in den Mund.
    Sophie sah zu meiner Mutter hinüber, beobachtete sie einen Moment lang. Wodurch mir plötzlich wieder vor Augen stand, wie heftig sie an jenem Abend beim Essen zusammengezuckt war, als Whitney ihren Stuhl gegen den Tisch gedonnert hatte. Nicht nur in dem Moment hatte ich mir solche Sorgen um sie gemacht; es hatte schließlich viele Momente in der Art gegeben. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie meine Mutter reagieren würde, wenn sie,möglicherweise durch einen blöden Zufall oder hintenrum, davon erfuhr.
    »Sophie, bitte, nur eins   –«
    »Lass mich in Ruhe. Ich will nie wieder etwas mit dir zu tun haben.«
    Wutschnaubend drängte sie sich an mir vorbei und rauschte ab. Ich schaffte es irgendwie, mich umzudrehen und den Gang entlang zurückzulaufen. Die Regale verschwammen vor meinen Augen. Ich nahm eine Frau wahr, die ein Kind auf der Hüfte trug; ein alter Mann schob seinen Rollator vor sich her; ein Angestellter begutachtete den Auspreisapparat in seiner Hand. Schließlich entdeckte ich meine Mutter. Sie stand vor einer Auslage für Sonnencreme und hielt bereits nach mir Ausschau.
    »Da bist du ja. Wie geht es Sophie?«
    Ich zwang mich, tief durchzuatmen. »Gut. Alles okay.«
    Es war das erste Mal, dass ich meine Mutter wegen Sophie anlog, doch bei Weitem nicht das letzte Mal. Damals glaubte ich noch, alles, was ich im Zusammenhang mit

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