Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Just Listen - Roman

Just Listen - Roman

Titel: Just Listen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
Vom Netzwerk:
reingeschnitten, denn meine Schwester war eine miserable Bowlingspielerin, die ungekrönte Königin der Schlingerkugeln), dachte ich an jenen Abend zurück, dort am Esstisch, als man glatt das Gefühl bekommen konnte, alles würde   – endlich   – wieder normal werden.
    Und so war es auch. Mehr oder weniger zumindest. Meine Mutter kutschierte uns wieder zu diversen Castings und Jobs. Sie wirkte zwar nie besonders aufgeräumt oder lebhaft, aber das war sie vielleicht auch früher nicht gewesen, weil es ihr einfach nicht entsprach. Möglicherweise hatte ich es mir ohnehin bloß eingebildet, ähnlich vielem anderen auch. Oder einfach nur wie selbstverständlich angenommen   – wie man das eben so machte.
    Doch trotz dieser erfreulichen Entwicklung bekam ich im Lauf jenes Jahres immer mehr Zweifel daran, ob die Dinge tatsächlich auf einem guten Weg waren. Ich hoffte es, wirklich, hielt aber innerlich fast durchgehend den Atem an, aus Angst, es könnte plötzlich wieder vorbei sein. Denn obwohl auch weiterhin alles gut zu gehen schien: Was mit meiner Mutter passiert war, war so plötzlich über uns hereingebrochen, ohne richtigen Anfang oder Ende   – was sprach also dagegen, dass es sich wiederholen würde? Im Gegenteil, es war leider gar nicht so unwahrscheinlich. Ich war damals wohl überzeugt davon, dass es nur eineneinzigen miesen Moment, eine einzige Enttäuschung geben müsste, und sie würde uns wieder verlassen. Ich glaube, tief drinnen sehe ich das bis heute so.
    Denn es scheint der Grund zu sein, warum ich meiner Mutter immer noch nicht gebeichtet habe, dass ich mit Modeln aufhören will. Schon den ganzen Sommer über habe ich mich dabei nicht wohlgefühlt, sondern komisch. Nervös. Was nie zuvor der Fall war. Doch seit Neuestem kann ich auf einmal die prüfenden Blicke nicht mehr ertragen, mit denen mich wildfremde Menschen mustern, während ich vor ihnen hin- und herlaufen muss. Im Juni, bei einer Anprobe für eine Bademoden-Kollektion, zuckte ich, während der Stylist mir meinen Badeanzug anpasste und mich dabei natürlich berühren musste, jedes Mal zusammen. Ich entschuldigte mich, tat so, als wäre alles in bester Ordnung, hatte aber die ganze Zeit über einen dicken Kloß im Hals.
    Doch immer, wenn ich kurz davor war, meiner Mutter alles zu erzählen, kam irgendetwas dazwischen, das mich davon abhielt. Mittlerweile war ich nämlich die Einzige von uns dreien, die noch modelte. Und es ist schon hart genug, jemandem etwas wegzunehmen, das die- oder denjenigen glücklich macht. Noch schlimmer aber ist es, wenn dieses Etwas anscheinend das
Einzige
ist, was dieser Mensch überhaupt noch hat.
    Deshalb war ich auch überhaupt nicht erstaunt, dass meine Mutter bereits auf mich wartete, als ich fünfzehn Minuten später bei
Mooshka Surfwear
eintrudelte. Wie jedes Mal fiel mir vor allem auf, wie klein und zierlich sie ist. Okay, ich selbst bin eins zweiundsiebzig und damit vielleicht nicht eben geeignet, die Größe von Leuten zu beurteilen, die kleiner sind als ich   – die Perspektive ist sozusagenein wenig verzerrt. Übrigens bin ich mit meinen eins zweiundsiebzig noch die Kleinste von uns dreien: Kirsten ist knapp zwei Zentimeter größer als ich, Whitney sogar eins achtundsiebzig und unser Vater überragt uns mit seinen gut eins neunzig alle miteinander, was dazu führt, dass meine Mutter immer etwas fehl am Platz wirkt, wenn wir als Familie zusammen unterwegs sind. Wie bei dem Spiel in der Grundschule, bei dem man herausfinden musste, welches Teil nicht ins Bild passte.
    Als ich neben dem Wagen meiner Mutter anhielt, bemerkte ich, dass Whitney, Arme vor der Brust verschränkt, auf dem Beifahrersitz saß. Sie wirkte genervt, was allerdings weder überraschend noch ungewöhnlich war. Deshalb gab ich nicht viel darauf, während ich meinen Make-up-Beutel aus der Tasche nahm und zu meiner Mutter ging. Sie wartete auf der anderen Seite ihres Autos neben dem Kotflügel. Die Heckklappe stand offen.
    »Du hättest nicht herzukommen brauchen«, sagte ich.
    »Ich weiß«, erwiderte sie und reichte mir übergangslos eine Tupperdose, auf deren Deckel eine Plastikgabel balancierte. »Obstsalat. Ich hatte keine Zeit, ein Sandwich zu machen. Setz dich.«
    Ich hockte mich auf den Rand des Kofferraums, öffnete die Dose, spießte mit der Gabel einen Bissen auf und merkte plötzlich, dass ich am Verhungern war. Kein Wunder, schließlich hatte ich das bisschen Mittagessen, das ich mir am Ende reingewürgt hatte,

Weitere Kostenlose Bücher