Justice (German Edition)
Stein unterhielt sich lange mit ihr. Natalie lud sie sogar zu einer Feier ein.
Herr Stein schien ziemlich beeindruckt von dem Mädchen aus dem Township. Zumindest deutete er das am nächsten Tag an, als er mit Milan über seine neue Freundin sprach. »Ihr passt gut zusammen«, meinte er.
»Finden Sie?«, fragte Milan hoffnungsvoll. »Manchmal mache ich mir Sorgen.«
Stein schüttelte den Kopf. »Musst du nicht. Ihr könnt das alles gut meistern.« Er legte eine kurze Pause ein, dann fragte er: »Wie heißt sie eigentlich mit Familiennamen?«
Die Frage überraschte Milan. »Kumalo«, erwiderte er.
»Ah ja ...« Stein nickte nachdenklich. »Sie hat gesagt, dass ihr Großvater im Gefängnis starb.«
»Das hat sie Ihnen erzählt?« Milan war verwundert.
»Ich habe sie gefragt«, kam die Antwort.
Bevor Milan sich erkundigen konnte, wie es dazu kam, dass Stein in so kurzer Zeit solch intime Fragen stellen konnte, klingelte es und die Pause war zu Ende.
Es war nun auch an der Zeit, dass Milan Zenis Mutter und ihre Schwestern kennenlernte. Er wurde zum Mittagessen eingeladen, an einem Sonntag nach ihrem wöchentlichen Kirchgang. Er war sehr nervös, hätte sich aber die Aufregung ersparen können. Zenis Familie war äußerst nett und der fremde Junge wurde herzlich aufgenommen. Frau Kumalo sprach nur gebrochen englisch, aber das war kein Problem. Auf der Farm seines Großvaters hatte Milan als Kind Xhosa gelernt.
» Molo , Mrs Kumalo! Unjani? «, sagte er und drückte die Zunge an die Schneidezähne, um den Schnalzlaut zu treffen. Er bedankte sich für die Einladung. » Enkosi ngokundimema .«
Frau Kumalo strahlte über das ganze Gesicht. » Inkwenkwe emhlophe, oh, uyathetha ilwimilam! «
Zeni war über die bisher ungeahnten Sprachkenntnisse ihres Freunds ebenfalls erstaunt. »Du hast mir gar nicht gesagt, dass du Xhosa sprichst!«, stutzte sie.
»Du hast mich nie gefragt«, erwiderte Milan zufrieden.
In Wahrheit war sein Xhosa nicht viel besser als Frau Kumalos Englisch – nämlich sehr lückenhaft –, aber es brach auf jeden Fall das Eis. Zenis Mutter war eine starke Persönlichkeit, vorurteilsfrei und aufrichtig. Sie trug eine bunte Bluse und einen langen Rock mit einer gestreiften Schürze. Ihr Kopf war in einen eleganten iqhiya oder Turban gewickelt. Sie sah älter aus als fünfundvierzig Jahre. Das Leben als alleinerziehende Mutter dreier Kinder hatte seinen Tribut gefordert.
Für Milan war es ein seltsames Gefühl zu wissen, dass Zenis Mutter jede Woche bei ihm zu Hause war und sogar sein Zimmer sauber machte. Sie hatte seine Fotos an den Wänden gesehen, kannte seine Mutter und wusste wahrscheinlich viel über ihn. Schließlich hatte Sabine Julitz keine Probleme damit, Angestellten wie Frau Kumalo Anekdoten aus ihrem Familienleben zu erzählen.
Aber all das spielte keine Rolle. Zenis Mutter schloss Milan ins Herz. Auch ihre Schwestern waren recht offen. Sie sprachen englisch mit Milan und sie unterhielten sich über die Familie, die Schule, ihre Wünsche und Ziele. Besonders die ältere Schwester Jessy war Milan sehr sympathisch. Sie war fast zehn Jahre älter als Zeni und studierte Jura an der Uni in Kapstadt, wo sie unter der Woche wohnte. Mit großer Freude betonte sie, dass sie ein Glückskind sei, denn wenn sie ein paar Jahre früher geboren worden wäre, hätte sie nie im Leben Jura studieren dürfen. Die andere Schwester war nur ein bisschen älter als Milan und Zeni, aber deutlich schüchterner als ihre große Schwester. Sie hatte keinen Studienplatz bekommen und wie so viele Menschen im Township war sie arbeitslos.
Milan hatte das Gefühl, voll und ganz in Zenis kleiner Familie aufgenommen zu werden – und nicht nur, weil er der Sohn von Frau Julitz war. Trotzdem war er überrascht, als Zenis älteste Schwester am Ende des Besuchs eine ganz besondere Einladung aussprach.
»Du warst bestimmt noch nie auf einer Hochzeit bei uns in Khayelitsha, oder?«, fragte Jessy.
»Das stimmt«, antwortete Milan ehrlich.
»Vielleicht hast du ja Lust, mit uns zu feiern?«, fuhr sie mit einem breiten Grinsen fort und legte ihren Arm um ihre kleine Schwester Zeni. »Wer ein Freund von Zeni ist, ist auch ein Freund von uns allen. Nicht wahr?«
»Wer heiratet denn?«, fragte Milan neugierig.
»Unser Cousin. Themba Mbete. Ist zwar seine zweite Ehe, aber diesmal hält sie, so Gott will. Es wird ein großes Fest werden. Die ganze Familie kommt zusammen. Am Samstag in einer Woche. Was sagst du? Hast du
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