Justice (German Edition)
hob ihre Hand fassungslos zum Mund. »Das gibt’s ja nicht!« Sie warf ihrem Ehemann einen verzweifelten Blick zu. »Seit wann läuft das?«
»Seit ein paar Wochen.«
Sabine schüttelte ungläubig den Kopf.
Jetzt meldete sich Werner irritiert zu Wort: »Wer zum Teufel ist diese Zeni Kumalo?«, wollte er wissen.
Sabine seufzte und lachte nervös. »Die Tochter unserer Putzfrau!«
»Aha.« Werner grinste seinen Enkelsohn an und nickte beeindruckt. »Interessante Wahl!« Dann wandte er sich seiner Schwiegertochter zu und fragte lässig: »Hast du ein Problem damit, Sabine?«
Milans Mutter hielt ihre kleinen, zierlichen Hände hoch und streckte ihre Finger aus. »Nein, natürlich nicht. Überhaupt nicht! Es ist nur ein bisschen ...«, sie suchte nach dem passenden Wort, »... seltsam. Ich meine, ihre Mutter arbeitet für uns.«
»Na und? Es gibt kein Gesetz dagegen«, zischte Milan.
»Ich weiß«, verteidigte sie sich und war sichtlich überfordert. »Es ist halt ein bisschen merkwürdig, findest du nicht?«
»Das müssten wir eher Zeni und ihre Mutter fragen«, sagte Milan.
Milans Vater stand vom Tisch auf und kam auf sie zu. »Milan hat recht. Wenn es überhaupt für jemanden unangenehm sein könnte, dann für sie. Aber lass uns mal abwarten. Die beiden sind erst gerade zusammengekommen, es ist alles ganz frisch.«
»Aber ...« Milan wollte seinem Vater klarmachen, dass es keine kurze Sache sein würde, doch Peter ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»Deine Mutter ist nur ein bisschen überrascht«, unterbrach er ihn bestimmend. »Wir wussten nicht mal, dass ihr euch kennt.« Milan machte den Mund auf, um zu protestieren, aber sein Vater setzte seine Rede fort: »Warte kurz. Lass mich ausreden. Du meinst es offensichtlich ernst mit diesem Mädchen, sonst hättest du uns nicht von ihr erzählt. Wir freuen uns doch für dich.« Peter bemühte sich zu lächeln. »Und damit es klar ist: Zeni ist hier jederzeit willkommen, hörst du?«
Milan nickte, aber er zweifelte an der Ehrlichkeit der Aussage. Dass Zeni die Tochter von Frau Kumalo war, war nicht das einzige Problem. Sie war auch ein Township-Mädchen.
Peter tauschte einen letzten Blick mit seiner Frau aus. Es war ein Blick, der nach friedlicher Bestätigung suchte. Sabine nickte fast unmerklich und senkte den Kopf.
»Jetzt will ich mein Steak in Ruhe essen«, sagte Peter Julitz und ging zum Tisch zurück.
Milans Mutter atmete tief durch. »Es tut mir leid, Milan. Versteh mich nicht falsch. Zeni ist wirklich ein sehr reizendes Mädchen ...«
Aber Milan hörte ihr nicht mehr zu. Neben ihm nahm Werner die vier saftigen Springbock-Steaks vom Grill und schaufelte sie auf einen großen Teller.
»Na dann«, schmunzelte der alte Mann. »Ich würde vorschlagen, wir laden deine neue Freundin zum nächsten Grillabend ein. Ich will sie auch mal kennenlernen.«
Milans Mutter nickte. Dann drehte sie sich um und folgte ihrem Mann zum Gartentisch.
Werner brachte den vollen Teller zum Tisch und kündigte jetzt in zwei knappen Sätzen seine eigene Neuigkeit an: »Ich habe übrigens eine Wohnung in der Stadt gemietet«, sagte er, noch bevor er sich hingesetzt hatte. »Ich ziehe nächste Woche um.«
Milan wartete gespannt auf die Hochzeit von Themba Mbete, doch am Tag davor stand noch der Umzug von Werner Julitz auf der Tagesordnung. Milan und sein Vater hatten ihre Hilfe zugesagt und nach der Schule machten sie sich auf den Weg nach Kylemore.
Es war ungewöhnlich, dass Milan und sein Vater Zeit miteinander verbrachten, vor allem alleine. Peter war beruflich viel unterwegs. Als Unternehmensberater hatte er einige Kunden in Deutschland und verbrachte dort mehrere Monate im Jahr. Milan bekam nicht viel von ihm mit. Aber auch wenn Peter nicht unterwegs war, hatten sie selten das Bedürfnis zu zweit zu sein. Peter zum Beispiel liebte Rugby über alles, was Milan gar nicht interessierte. In seiner Freizeit war der Familienvater auch oft mit seinem Rennrad unterwegs, was Milan ebenfalls wenig anmachte. Irgendwie hatte sich über die Jahre hinweg eine seltsame Stille in das Verhältnis zwischen Vater und Sohn geschlichen.
Auch auf der Autofahrt nach Kylemore redeten sie kaum miteinander. Sie unterhielten sich über den bevorstehenden Drachenbootwettbewerb in Durban, über die Schule, das Wetter, die neusten sportlichen Ereignisse – nur über eines nicht: Milans neue Freundin. Es fiel kein Wort über das Mädchen aus dem Township.
Bald waren alle Gesprächsthemen
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