Justice (German Edition)
Kugelschreiber und Füllfederhalter sind verboten. Wenn du willst, kannst du gerne deinen Laptop anschließen. Daten kannst du mit dem Computersystem abrufen. Hast du noch Fragen?«
»Äh, nein, danke.«
Die Frau drehte den Kopf zur Seite und musterte Milan mit einem abwertenden Blick. »Du hast keine Ahnung, was das hier ist, nicht wahr?«
Milan wollte der scharfsinnigen Bemerkung der Empfangsdame gerade etwas entgegensetzen, aber ihm fiel kein Argument ein. »Nein, nicht wirklich«, gab er verlegen zu.
»Was machst du dann hier?«, hakte die Frau nach. Milan merkte, wie in seinem Rücken einer der Sicherheitsbeamten leise auf ihn zukam.
»Äh, ich habe gesehen, wie mein Vater eben hier reingekommen ist«, log Milan spontan. »Ich wollte nur wissen, was er hier macht.«
»Frag ihn doch einfach«, sagte die Frau und zeigte die Treppe hoch. »Er ist oben in der Mikrofilmabteilung.«
Milan schaute dem ausgestreckten Arm der Frau nach. Irgendwo hinter der Tür zur ersten Etage saß Herr Stein vor einem Lesegerät und suchte Namen aus einem Register heraus. Bei dieser Vorstellung lief Milan ein Schauder über den Rücken.
»Nein, ist schon okay«, sagte er schnell und machte instinktiv einen Schritt zurück. Dabei stieß er gegen etwas. Er fuhr überrascht herum und erstarrte, als er den Sicherheitsbeamten vor sich sah. »Oh Entschuldigung!«
Die Empfangsdame zog die Augenbrauen hoch und ließ Milan nicht aus den Augen. »Sag mal, hast du Ärger?«, fragte sie argwöhnisch.
Milan legte das Formular zurück auf den Empfangstresen. »Nein, es ist alles in Ordnung«, murmelte er und machte wieder einen Schritt zurück. »Mein Vater soll nicht wissen, dass ich hier war«, fügte er hinzu. »Bitte sagen Sie ihm nichts. Meine Mutter hat mich hergeschickt.«
Die Andeutung eines Zwistes zwischen den Eltern reichte für die Empfangsdame vollkommen aus, um Milan jetzt in einem neuen Licht zu betrachten. Ihre Augen wirkten plötzlich traurig. Sie schaute den zurückweichenden, ängstlichen Jungen voller Mitgefühl an.
»Vielen Dank für Ihre Hilfe«, sagte er höflich. »Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.«
Im Gegensatz zu der Empfangsdame schaute ihn der Sicherheitsbeamte am Tresen mit zunehmender Skepsis an. Milan hatte auch die Aufmerksamkeit des Kollegen auf sich gezogen. Als sich der Junge dem Ausgang näherte, senkte der zweite Wächter seine Zeitung und warf seinem Kollegen einen fragenden Blick zu. Milan nickte höflich in seine Richtung und griff zur Tür.
»Auf Wiedersehen!«, murmelte er und schlüpfte aus dem Gebäude. Der zweite Sicherheitsbeamte stand von seinem Hocker auf und trat ans Fenster.
Milan hatte gerade den Bürgersteig auf der anderen Straßenseite erreicht, als in seiner Hosentasche sein Handy klingelte. Er schaute sich um. Die beiden Sicherheitsbeamten standen nebeneinander am Fenster und starrten ihm hinterher. Ihre Blicke machten Milan nervös. Hektisch zog er das vibrierende Gerät aus der Tasche und sah den Namen auf dem Display. Es war Zeni.
»Hey«, meldete er sich außer Atem.
»Hallo, Milan! Wie geht’s dir?«
Milan eilte um die Ecke und atmete erleichtert auf, als er endlich außer Sichtweite der beiden Sicherheitsbeamten war.
»Gut«, log er.
»Wo bist du gerade?«, fragte Zeni am anderen Ende der Leitung.
Milan zögerte kurz. »Beim Staatsarchiv.«
Zeni hörte sich überrascht an. »Was machst du denn da?«
»Äh, ich bin mit Herrn Stein hier«, sagte Milan zur Erklärung, obwohl es nicht ganz der Wahrheit entsprach. »Er hilft mir, etwas für die Schule zu recherchieren.«
»Echt? Das ist sehr engagiert von ihm«, sagte Zeni beeindruckt. Dann fügte sie hinzu: »Ist irgendetwas, Milan? Du hörst dich so komisch an.«
»Nein, es ist alles in Ordnung. Ich bin nur ein bisschen ... Ich bin auf der Straße. Ich hole uns etwas zu trinken.«
»Ich habe gestern Abend versucht, dich zu erreichen«, sagte Zeni. »Du bist nicht rangegangen. Warst du unterwegs?«
Milan zuckte aus schlechtem Gewissen zusammen. Er hatte gesehen, dass ihn Zeni angerufen hatte. Aber er konnte nicht mit ihr reden. Sein Kopf war so voll. Er musste erst einmal die Sache mit Herrn Stein klären.
»Ich war bei meinem Großvater«, erklärte Milan verwirrt. »Aber er war nicht da. Ich ... ich war anschließend bei Alex.«
Die kurze Stille am anderen Ende der Leitung verriet Zenis Skepsis. »Bist du dir sicher, dass alles in Ordnung ist?«
»Ja. Ich muss mich nur beeilen. Das Archiv schließt
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