Justice (German Edition)
entschuldigend hinzu: »Wenn es Ihnen gerade nicht passt, kann ich ein anderes Mal wiederkommen.«
Er drehte sich halb von der Kamera weg, um den Anschein zu erwecken, als wollte er gehen, doch da erklang wieder die kauzige Stimme aus der Sprechanlage: »Komm rein!«
Das kurze Brummen sagte Milan, dass Smith das Tor geöffnet hatte. Milan drückte dagegen und betrat das Grundstück. Beim ersten Anblick fiel ihm die Ironie seines Mitbringsels auf. Der wunderschöne Garten, der das Haus rundherum schmückte, war mit einer Vielzahl von Bonsai-Bäumen bestückt. Die japanischen Miniaturbäume standen in Schalen auf Tischen und Bänken oder in einem Ensemble vor einer bemalten Wand, auf der eine asiatische Landschaft abgebildet war. Milan staunte über die präzise beschnittenen Bäumchen, in denen offenbar eine Menge Arbeit steckte. Hier war mehr als nur ein leidenschaftliches Hobby zur Schau gestellt. Das hier war ein Lebenswerk.
Bevor Milan die Haustür erreicht hatte, ging sie auf und ein Mann trat auf die Türschwelle. Alfred Smith war eine bemitleidenswerte Erscheinung. Er sah ausgezehrt und abgespannt aus, seine Kleider hingen an seinem mageren Körper, als wären darunter kaum mehr als nur Knochen. Sein Gesicht war hager und blass, sein Schädel glatt rasiert. Sein schwarzes Polohemd, dessen Kragen hochgeschlagen war, war voller Flecken. Milan eilte den Gartenweg entlang und blieb vor dem pensionierten Polizisten stehen.
»Guten Tag, Herr Smith!«, begrüßte er ihn freundlich. »Das hier ist für Sie. Ein Geschenk von Kollegen aus dem Präsidium. Eine Königsprotea.«
Milan überreichte dem etwas verwunderten Smith die schöne Protea.
»Ja, ähm ... Vielen Dank«, stammelte der Empfänger leicht überfordert.
Als Milan die Pflanze los war, griff seine Hand automatisch nach der Waffe an seinem Rücken. Angesichts der verwahrlosten Gestalt vor ihm bekam es der Junge mit der Angst zu tun. Alfred Smith sah bedrohlich aus.
»Herr Smith, es gibt etwas, das ich Sie fragen muss«, fing Milan vorsichtig an. Smith schaute von den rötlichen Blättern der Protea hoch und starrte den Jungen mit einem verwunderten Blick an. »Anfang der 90er waren Sie noch bei der Polizei tätig«, fuhr er fort. »Ich wollte Sie etwas über einen ehemaligen Kollegen von Ihnen fragen. Einen gewissen Charles Kumalo.«
Als Milan den Namen sagte, schlang er die Finger seiner rechten Hand um den geschmeidigen Griff der Pistole und machte sich darauf gefasst, die Waffe zu ziehen. Doch Smith zuckte nicht mal mit der Wimper.
»Die Knarre brauchst du hier nicht«, sagte er stattdessen und blieb vollkommen ruhig. »Willst du nicht lieber reinkommen?«
Smith kehrte Milan den Rücken zu und ging vor ihm ins Haus. Milan blieb vor der Haustür stehen und schaute dem Hausbesitzer fassungslos hinterher. Zuerst wusste er nicht, wie er reagieren sollte. Doch eine Sache beunruhigte Milan noch mehr als Smiths scharfer Blick: dass der Ex-Polizist jetzt außer Sichtweite war. Es könnte eine Falle sein.
Milan zog die Waffe hervor und trat in den dunklen Hausflur. Er schaute sich nervös um. Smith war im Nebenraum zu hören. Er machte eine Getränkedose auf und stieß einen müden Seufzer hervor. Milan umfasste die Waffe mit beiden Händen und rückte langsam im Hausflur vor. Als er die nächste Tür erreichte, sah er, dass er sich geirrt hatte. Es war keine Falle. Smith saß auf dem Sofa, eine Bierdose in der Hand, und starrte abwesend aus dem Fenster. Milan betrat den Raum und überprüfte die Lage. Das Wohnzimmer war geschmackvoll ausgestattet und – passend zu den Bonsais draußen – im asiatischen Stil gehalten. Das Haus wirkte sauber und ordentlich und stand im starken Kontrast zu dem verwahrlosten Eindruck, den Alfred Smith selbst machte. Auf dem Couchtisch vor ihm lag ein Haufen leerer Bierdosen, zum Teil platt gedrückt.
»Ich habe gesagt, lass die Waffe stecken, Kumpel«, wiederholte Smith und es fiel Milan auf, dass er lallte. »Ich will nicht, dass du mir aus Versehen den Kopf abschießt.« Er klopfte auf die Stelle neben sich auf dem Sofa und winkte den Jungen zu sich. »Jetzt setzt dich mal hin und sag mir, was zum Teufel jemand wie du mit Charlie Kumalo zu tun hat.«
Milan rührte sich nicht von der Stelle. Er schaute von Smith zum Nebenraum, der durch eine offene Flügeltür zu sehen und ebenfalls geschmackvoll eingerichtet war. Dort stand ein großer Esstisch mit vier Stühlen. Auf dem Tisch standen zwei Bierkisten.
»Meine Frau
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