Justice (German Edition)
unsere Verhörmethoden beigebracht, aber er war offensichtlich zu weit gegangen. Nicht zum letzten Mal.«
Smith leerte seine Bierdose, als wollte er die unangenehme Erinnerung wegspülen.
Milan senkte seinen Kopf und dachte fieberhaft nach. Zenis Großvater wurde von Peter Kriel getötet, Kriel hatte die Sache vertuscht und zwanzig Jahre später stößt Zenis Vater auf den Obduktionsbericht. Musste er dafür sterben?
»Was ist dann passiert?«, fragte Milan, jetzt wollte er die ganze Wahrheit wissen.
»Charlie ist völlig ausgerastet«, setzte Smith seinen Bericht fort. »Er kam zum Präsidium zurück und stellte Pete zur Rede. Das war dumm von ihm. Er dachte, nur weil er im Polizeipräsidium war, konnte ihm nichts passieren. Aber er hatte sich geirrt. Mandela war schon frei, klar, aber so schnell änderten sich die Dinge nicht. Charlie hat Pete völlig unterschätzt. Und Pete war nicht gerade heiß auf die Idee, nach dreißig Jahren im Dienst in den Knast zu kommen.«
»Er hätte später vor der Wahrheitskommission aussagen können«, sagte Milan. »Er hätte dafür Amnestie bekommen.«
Smith lachte über Milans Naivität. »Pete vor der Wahrheitskommission? Ausgeschlossen. Außerdem wussten wir damals nichts davon. Man sprach schon darüber. Jedem war klar, dass wir irgendetwas brauchten, um uns zu schützen. Aber damals war alles noch ungewiss. Ich konnte Pete schon verstehen. Er hatte einfach Schiss, richtig Schiss.«
»Und was ist dann passiert?«, hakte Milan nach.
»Es gab einen Riesenstreit. In unserem Büro. Zwischen Pete und Charlie. Ich kann mich genau daran erinnern. Als wäre es gestern gewesen. Ein paar Kollegen und ich standen herum und schauten zu. Ich kannte die ganze Geschichte mit Zangwa nicht, aber sie überraschte mich auch nicht, wenn ich ehrlich bin. Pete war ein brutaler Typ. Wir hatten alle Angst vor ihm.« Smith machte die Augen kurz zu, als müsste er sich anstrengen, um zum Ende der Geschichte zu kommen. »Mitten im Streit zog Kumalo seine Waffe und wollte Pete verhaften. Wegen Behinderung der Justiz oder so. Ich glaube nicht, dass er die Waffe benutzt hätte, aber das Ding ist kein Spielzeug, ja. Ein Kollege versuchte Charlie zu beruhigen. Der drehte sich kurz um, um mit Harry zu reden, Pete zog seine Dienstwaffe und schoss. Selbstverteidigung hat er gesagt.«
»Die Geschichte mit der Razzia war nur eine Vertuschung?«, schlussfolgerte Milan.
Smith nickte beeindruckt. »Ja klar. Wir standen alle da wie die Idioten und dachten, was machen wir jetzt? Schwarzer Bulle von weißen Kollegen getötet – da wäre die Hölle los gewesen. Einer von uns kam auf die Idee mit der Razzia. Wir machten einen spontanen Besuch bei unseren Freunden, ein paar Dealern in Langa. Dabei haben wir einen Schusswechsel provoziert.« Smith zeigte sich selbst einen Vogel. »Stell dir das vor, wir sind mit einem Toten im Kofferraum zu einer Razzia gefahren, dann haben wir rumgeballert wie die Irren, und als Verstärkung kam, lag Kumalo bereits auf dem Boden. Der Typ ist wie ein Held gestorben.«
Smith zerdrückte seine leere Bierdose in der Hand. Er stand auf, um Nachschub vom Nebenraum zu holen. Milan wartete im Sessel und schaute den Finken zu, die noch immer draußen um das Vogelhaus versammelt waren.
»Lebt dieser Peter Kriel noch?«, fragte er nach einer Weile.
»Ja, ja«, hauchte Smith ernüchtert und kam mit einer neuen Bierdose ins Zimmer zurück. »Pete geht es gut. Pete ging es immer gut. Er ist nicht so wie ich. Er trinkt nur Tee.«
Er machte die Dose auf.
»Sie müssen gegen ihn aussagen«, sagte Milan entschlossen.
Smith lachte abfällig. »Aussagen? Gegen Pete? Du verstehst das nicht. Gegen einen wie Pete sagt man nicht aus. Es sei denn, man ist lebensmüde.«
Milan schwieg und versuchte sich ein Bild von Peter Kriel zu machen, dem Mann, der Zenis Vater und ihren Großvater ermordet hatte. Irgendwo lief er frei herum. Er hatte sein Haus, seine Familie, seine Pension, so wie Alfred Smith. Für sein Verbrechen hatte er nie bezahlt. Außerdem waren Zenis Verwandte vermutlich nicht die Einzigen, die ihm zum Opfer gefallen waren. Es gab bestimmt noch andere. Ein Mann wie Peter Kriel tötete nicht nur einmal.
Die Ungerechtigkeit machte Milan wütend. Er hätte Peter Kriel auf der Stelle eine Kugel in den Kopf gejagt.
Zunächst merkte Milan nicht, wie sein Gegenüber ihn anschaute. Es war ein seltsamer, eindringlicher Blick. Smith musterte Milans junges, hübsches Gesicht und sah auf die
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