Justice (German Edition)
ist letzte Woche gestorben«, sagte Smith zur Erklärung. »Schöner Scheiß!«
Er ließ den Kopf hängen, als hätte er kaum noch Kontrolle über seinen Körper. Er war sturzbetrunken. »Jetzt spuck’s aus, Kumpel!«, zischte er und hob wieder den Kopf. »Was willst du über Charlie wissen?«
Milan steckte langsam die Waffe weg. Der betrunkene Mann war ungefährlich. Auch sein rauer Ton war frei von Aggression. Er tat Milan eher leid.
Der Junge ließ sich auf einem der Sessel nieder und sagte: »Meine Freundin ist die Tochter von Charles Kumalo.«
Auch diese Information schien Smith nicht zu überraschen. Er nippte an seinem Bier. »Wie alt ist sie jetzt? Sechzehn? Siebzehn? Kommt ungefähr hin. Seine Frau war damals schwanger, als Charlie starb.«
»Er wurde bei einer Razzia erschossen«, stimmte ihm Milan zu. »In den Rücken.«
Zum ersten Mal flackerte etwas in Smiths trüben Augen auf. Er musterte Milan überrascht. »Woher weißt du das?«
Milan überlegte, mit offenen Karten zu spielen, doch er entschied sich dagegen. »Das ist nicht wichtig.« Er hielt kurz inne. »Ich weiß auch, dass Sie dabei waren.«
Smith nickte. »Das stimmt. Du bist gut informiert.« Er lehnte sich auf dem Sofa zurück und verlor sich einen Augenblick lang in seinen eigenen Gedanken. »Netter Kerl war das, der Charlie. Einer der Guten. Fleißig, intelligent, humorvoll. Ein exzellenter Polizist.« Smith starrte vor sich hin und hielt seine Bierdose mit beiden Händen fest. »Wenn er sich nur aus der ganzen Scheiße herausgehalten hätte, dann hätte deine Freundin heute noch einen Vater.«
Er schaute Milan aus traurigen Augen an.
»Wie meinen Sie das?«, fragte der Junge nach. »Aus was hätte er sich heraushalten sollen?«
Smith sprach in abgehackten Sätzen, als würde seine Geschichte aus Tausenden Puzzlestücken bestehen. »Es waren damals verdammt schwierige Zeiten, das vergisst man schon manchmal. Zu Beginn der 90er. Nichts mit neuem Anfang, das Land befand sich im Kriegszustand. Nach der Entlassung von Nelson Mandela hatten wir alle Schiss. Die Staatssicherheit war nervös. Die Polizei auch. Die ganzen Politiker ließen uns im Stich. Es gab Akten, Protokolle, Informationen, die das Leben vieler Menschen hätten schwer machen können. Wir bekamen den Befehl, belastendes Material zu vernichten. Peter Kriel und ich. Nur wir zwei. Wir waren die zuständigen Offiziere. Es wäre echt besser gewesen, wenn wir es einfach unter uns ausgemacht hätten, aber Charlie war schwer in Ordnung und hat uns dabei geholfen.«
Smith legte eine Pause ein und schaute nachdenklich aus dem Fenster. Draußen sammelte sich eine Gruppe bunter Finken um ein Vogelhaus.
»Pete und ich sortierten die Akten hier in der Stadt aus. Besonders die alten Sachen. Charlie fuhr sie zu einer Farm auf dem Land. Dort hat er alles verbrannt, egal ob es belastend war oder nicht. Das war so viel Zeug, wir hatten überhaupt keinen Überblick. Und dann hat Charlie Scheiße gebaut.« Smith hielt plötzlich inne, als wäre er zum schwierigsten Teil seiner Geschichte gekommen. Er schüttelte enttäuscht den Kopf. »Es muss Zufall gewesen sein. Keine Ahnung. Charlie hätte nie alles durchlesen können. Das wäre unmöglich gewesen. Es war Glück. Oder Pech. Wäre besser für ihn gewesen, wenn es nie passiert wäre. Er fand den Obduktionsbericht von Robert Zangwa. Schöner Scheiß. Er hätte ihn direkt verbrennen sollen, verdammter Idiot! Aber nein ...« Smith verzog unappetitlich das Gesicht und wandte sich fragend an Milan. »Sagt dir der Name Zangwa was?«
Milan hatte den Namen noch nie gehört. Er gab Smith dies mit einem knappen Kopfschütteln zu erkennen. Smith verzog wieder das Gesicht. »Solltest du aber. Zangwa war der Mädchenname von Charlies Frau.« Smith beugte sich nach vorne und schaute Milan durchdringend an. »Verstehst du? Robert Zangwa war Charlies Schwiegervater. Der Vater seiner Frau.«
Milan runzelte verwirrt die Stirn. »Zenis Großvater? Der Typ, der in Polizeigewahrsam starb?«
»Genau. Er hatte Selbstmord begangen«, bestätigte Smith und fügte vielsagend hinzu: »Offiziell.«
»Und inoffiziell?«, fragte Milan atemlos.
Smith grinste schief. »Das stand im Obduktionsbericht. Er war zu Tode geprügelt worden.«
Milan schnappte erschrocken nach Luft.
Smith klärte ihn weiter auf: »Und im Obduktionsbericht stand auch, wer Robert Zangwa verhört hatte. Ein junger Mann. Sein erster großer Einsatz. Peter Kriel. Seine Kollegen haben ihm
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