Justice (German Edition)
passiert dir nichts. Bis einer gesehen hat, dass jemand auf dem Boden liegt, bist du längst weg.«
Milan musterte Smith. »Warum sagen Sie mir das alles?«
»Weil du hier bist«, antwortete Smith schlicht. »Das ist mehr als nur ein Zufall. Das ist Schicksal.«
Milan stand auf und schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin nur hierhergekommen, um herauszufinden, wer Zenis Vater umgebracht hat«, wehrte er sich. »Jetzt weiß ich es.«
Smith starrte ihn mit glasigen Augen an. »Ja genau. Und? Was machst du jetzt?«
»Nichts!« Milan drehte sich um und wollte gehen, aber Smith sprang plötzlich vom Sofa auf und packte ihn am Arm.
»Was bist du denn für einer?«, zischte er wütend. »Du kannst nicht einfach hier in mein Haus reinspazieren, mich ausquetschen und dann einfach abhauen! Und was ist mit deiner Freundin? Kriel hat ihr das Wichtigste im Leben geraubt. Er hat ihre Kindheit zerstört. Hat sie nicht auch noch Schwestern? Und du willst ihn einfach laufen lassen? Das glaube ich nicht. Was bist du für ein Waschlappen?!«
Milan versuchte Smiths Griff abzuschütteln, aber er hielt ihn zu fest.
»Ich will ihn nicht töten«, beharrte Milan, aber seine Stimme wurde schwach.
Smith zog den Jungen schroff an sich. Er starrte ihm eindringlich in die Augen. Sein Gesicht war so nah, Milan konnte den Alkohol in seinem Atem riechen.
»Peter Kriel hat nur eines verdient und das weißt du auch«, zischte er. »Du musst es tun. Das weißt du so gut wie ich!«
Der betrunkene Ex-Polizist ließ schließlich los. Milan stolperte zurück und fing sich. Er schaute ein letztes Mal zu Smith, der zum Sofa zurückstolperte und sich erschöpft darauffallen ließ. Dann stürzte Milan aus dem Haus. Erst als er draußen war, entdeckte er die gedruckte Einladung, die Smith in die Tasche seiner Schürze gesteckt hatte. Zur Neueröffnung des District-Six-Museums. Auf ihr war zu lesen: Karte gültig für eine Person. Wir freuen uns auf Sie!
Immer wieder musste Milan an die Worte von Alfred Smith denken: Es ist mehr als nur ein Zufall. Es ist Schicksal. In der Tat wirkte die Kette von Ereignissen, die dazu geführt hatte, dass Milan im tadellosen Wohnzimmer von Alfred Smith stand und zum ersten Mal die Wahrheit über den Tod von Zenis Vater und ihrem Großvater hörte, nicht wie ein Zufall. Wie ein Echo hallten Smiths Worte in seinem Kopf wider. Peter Kriel hat nur eines verdient, und das weißt du auch. Milan sperrte sich innerlich gegen den Gedanken, so gut er nur konnte.
Er fuhr nach Hause. Wie immer parkte er seine Vespa in der Garage. Dort zog er die Schürze aus und versteckte sie in seiner Tasche, bevor er das Haus betrat. Als er durch die Seitentür ins Wohnzimmer ging, blieb er schlagartig stehen: Zeni saß auf einem Hocker in der Küche, ihren langen geschmeidigen Rücken zu ihm gekehrt, ihre Haare nach hinten gebunden. Auf der anderen Seite der Anrichte saß Milans Mutter.
Sabine blickte über Zenis Schulter und sah ihren Sohn als Erste. »Ach Milan, da bist du ja!«, begrüßte sie ihn. »Schau mal, wer hier ist ...«
Milan ging auf die beiden Frauen zu. »Hi, Zeni!«, sagte er und bemühte sich, das Gespräch mit Alfred Smith auszublenden und sich normal zu verhalten. Allerdings drückte Steins Pistole, die er noch hinten in der Hose trug, gegen seinen Rücken. »Wie geht’s dir?«
Zeni sprang vom Hocker. »Wo warst du die ganze Zeit?«, fragte sie direkt. »Ich habe mir Sorgen gemacht.«
»Ich hatte viel zu tun diese Woche«, wich Milan aus.
»Du hast seit Tagen nichts von dir hören lassen. Ich habe gedacht, dir ist irgendwas Schlimmes passiert.«
»Es tut mir leid.« Milan senkte den Blick. »Ich habe wirklich Stress zurzeit. Herr Stein ist diese Woche krankgemeldet und das ganze Drachenboottraining bleibt an mir hängen. Es wächst mir gerade alles über den Kopf.«
Zeni musterte Milan. Er sah ihr an, dass sie ihm nicht glaubte.
»Und wo warst du Samstagnacht?«, fragte jetzt Milans Mutter misstrauisch. »Bei Zeni warst du jedenfalls nicht.«
Zärtlich nahm Milan Zenis Hand. »Komm, lass uns nach oben gehen. Ich erkläre dir alles«, sagte er leise und warf seiner Mutter einen Blick zu, der um Verständnis bat.
Zeni ließ sich von Milan durch den Raum ziehen. Sie schaute dabei über ihre Schulter und entschuldigte sich bei Milans Mutter. Dann folgte sie ihrem Freund die Treppe hoch in dessen Zimmer. Milan schloss die Tür hinter sich und ließ sich auf sein Bett fallen. Er atmete tief ein und sagte
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