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Justice (German Edition)

Justice (German Edition)

Titel: Justice (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Fermer
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vertrat ein Weltbild, das das Überleben durch Solidarität und gegenseitige Versorgung ermöglichte, ein Ideal. Zenis Mutter hatte Milan diese Lebensauffassung erklärt. Sie hatte sie in einem einfachen Satz zusammengefasst: »Ein Mensch ist nur ein Mensch durch andere Menschen.« Danach glaubte Milan zu verstehen, was Ubuntu wirklich bedeutete.
    »Du hast nichts kapiert«, zischte Zeni wütend. »Was Stein macht, hat mit Ubuntu nichts zu tun. Er ist ein Mörder.«
    Milan senkte beschämt den Kopf. Er hatte kein Gegenargument. Dennoch war er nicht in der Lage, Steins Schuld einzusehen.
    »Du musst zur Polizei«, redete Zeni mit Nachdruck auf ihn ein. »Du darfst das Gesetz nicht selbst in die Hand nehmen. Ich werde nicht zur Polizei gehen. Nicht heute und auch nicht morgen. Aber ich werde nicht immer für dich schweigen. Du musst dich entscheiden.« Sie sah Milan ein letztes Mal an, dann drehte sie sich um und ging zur Tür. »Ich hoffe, du tust das Richtige.«
    Ohne zurückzublicken, verließ Zeni den Raum. Milan schaute ihr hilflos hinterher. Er hatte nicht die Kraft sie zurückhalten, auch wenn er es gewollt hätte. Er hörte, wie sie sich von seiner Mutter verabschiedete. Er trat an sein Fenster und zog den Vorhang zur Seite. Im Vorgarten lief Zeni zum Tor und drückte es auf. Kurz danach verschwand sie aus Milans Blickfeld. Er hoffte, dass es nicht das letzte Mal war, dass er sie gesehen hatte.
     
    Wie durch magische Kräfte fühlte sich Milan am nächsten Tag zum District-Six-Museum hingezogen. Als er ankam, steckte das Museumspersonal mitten in hektischen Vorbereitungen für die abendliche Veranstaltung. Milan setzte sich in ein Café schräg gegenüber vom Eingang und beobachtete das ständige Kommen und Gehen. Ein Lkw hielt vor dem Museum an. Vier kräftige Männer trugen Bretter und Einzelteile eines Gerüstes ins Gebäude hinein, die sie vermutlich innen zu einer Bühne zusammenbauen würden. Draußen vor dem Museum ließ eine andere Firma das Absperrgitter für die spätere Straßensperrung auf dem Bürgersteig ausladen. Ein Cateringbetrieb lieferte Getränke und Essen. Am Eingang stand ein einziger Sicherheitsbeamter, der die Besucher in Empfang nahm und ihnen Zugang zum Gebäude erteilte. Allerdings überprüfte er nie den Inhalt ihrer Lieferung.
    Milan trank seinen Kaffee aus und ging am Museum vorbei, in die schmale Nebengasse, die zum Lagerraum von Rent-a-Plant führte. Er fragte sich, ob es wirklich Zufall war, dass die Blumenfirma seiner Mutter nur einen Block von dem kürzlich renovierten District-Six-Museum entfernt war. Dass ausgerechnet an dem Tag der Neueröffnung des Museums der Laden geschlossen hatte, jedoch Milan im Besitz eines Schlüssels war. War das Schicksal? Oder doch eher Zufall? Jetzt lag es an Milan zu entscheiden.
    Sosehr er seine Freundin liebte, Milan war zu dem Schluss gekommen, dass sie sich irrte. Stein war kein kaltblütiger Krimineller, er war ein kluger, einfühlsamer Mann. Was er getan hatte, hatte er nicht aus Hass getan. Er hatte nicht getötet, weil es ihm Spaß machte. Er hatte das System verstanden. So wie Alfred Smith das System verstanden hatte. Und in diesem System blieb wahrhaftige Gerechtigkeit außen vor. Zeni hätte das auch verstanden, wenn sie mit Stein geredet hätte.
    Wenn alles vorbei war, würde Zeni ihm dankbar sein, davon war Milan überzeugt. Im Prinzip hatte sie nur Angst. Angst zuzugeben, dass ein Mensch wie Peter Kriel den Tod verdient hatte. Aber danach – wenn Sie endlich die Gerechtigkeit zu spüren bekam – würde sie erleichtert sein, wie neugeboren. Die Menschen können ohne Gerechtigkeit nicht leben , hatte Herr Stein gesagt. Manchmal muss man sie sich einfach nehmen. Jetzt wollte Milan genau das tun.
    Der Lagerraum von Rent-a-Plant war durch ein aufrollbares Garagentor zugänglich. Hier standen die ganzen Pflanzen und Blumen, die Milans Mutter verlieh. Auch der kleine Transporter mit dem Firmennamen darauf parkte hier. Milan bewegte sich mechanisch. Er traf die Vorbereitungen, ohne darüber nachzudenken. Er zog sich die Arbeitsklamotten an, setzte sich ein Rent-a-Plant- Käppi auf, versteckte die Waffe in seinem Overall und holte ein Taschenmesser aus der Werkbank. Dann suchte er zwei schwere eingetopfte Palmen aus, die zur Veranstaltung passen könnten. Er lud sie in den Transporter und fuhr rückwärts aus der Garage. Er hatte es wirklich nicht weit. Kurz darauf hielt er vor dem Museum an. Er grüßte den Sicherheitsbeamten,

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