Justice (German Edition)
aufgebracht.
»Es tut mir wirklich leid«, rief Milan. Seine Finger zitterten, als er die erste Schraube wieder an den leeren Dübel ansetzte. »Es geht mir nicht so gut.«
»Gehen Sie doch auf die Damentoilette, wenn es so dringend ist«, schlug der Sicherheitsbeamte vor.
»Aufs Damenklo? Spinnen Sie?«, rief der Mann aufgebracht. »Ich warte hier.«
»Wie Sie wollen.« Der Sicherheitsbeamte blieb diplomatisch. »Steht die Beleuchtung schon?«
Der Mann schnaubte ein verärgertes »Ja«, und der Beamte verließ den Raum.
»Einen Augenblick noch bitte!«, sagte Milan, um den ungeduldigen Toilettenbesucher zu beruhigen. Er nahm die zweite Schraube und setzte sie in das Loch. »Ich bin gleich fertig.«
»Das wird aber auch Zeit!«
Bald hatte Milan das Gitter wieder befestigt. Mit dem Knie betätigte er die Klospülung und sprang vom Deckel. Er steckte das Taschenmesser in seine Hosentasche und machte die Kabinentür auf.
»Na endlich!«, schnaubte der Beleuchter mit einem vernichtenden Blick.
»Es tut mir wirklich leid«, entschuldigte sich Milan erneut, aber der Mann drängte sich einfach an ihm vorbei. »Ich habe wohl etwas Falsches gegessen.«
Der Beleuchter knallte die Tür hinter sich zu. Milan ging zum Waschbecken und wusch sich die Hände. An seinen Fingerspitzen klebte der orangefarbene Rost des Gitters. Er trocknete die Hände ab, verließ die Herrentoilette und eilte mit dem Rollwagen aus dem Gebäude.
Jetzt lag es an Milan. Der erste Teil des Plans war reibungslos verlaufen. Er hatte die Waffe ins Museum reingeschmuggelt; er hatte eine Einladung zur Neueröffnung in der Hand. Nun musste er nur noch entscheiden, ob er den Plan wirklich durchführen wollte. In nur wenigen Stunden würde der Einlass beginnen. Wenn er sich doch dagegen entscheiden sollte, könnte er die ganze Sache in letzter Sekunde abblasen. Er könnte aufstehen und gehen, einfach so. Aber auch wenn Milan es sich nicht eingestehen wollte, hatte er sich bereits entschieden. Er würde es tun.
Nachdem er seine Vorbereitungen getroffen hatte, besuchte Milan Herrn Stein in Athlone. Stein war in der Küche und machte sich einen Kaffee. Er konnte wieder ohne fremde Hilfe aufstehen und ein paar Schritte allein gehen. Jede Bewegung tat ihm weh und er musste sich festhalten, doch seine Kräfte reichten, um es zumindest in die Küche oder auf die Toilette zu schaffen. Es war ein Anfang und Dorothy bestand darauf, dass er ab jetzt jeden Tag an seiner Beweglichkeit arbeiten sollte.
Als Milan in die Küche kam, drehte sich Herr Stein nicht einmal um. Er stützte sich mit beiden Händen am Spülbecken ab. Mit dem Rücken zu Milan sagte er leise, aber bestimmt: »Verheimlichst du mir etwas, Milan?«
Die Frage überraschte den Jungen. »Wie meinen Sie das?«, sagte er unschuldig und sah das Telefon, das neben Stein auf der Arbeitsplatte lag.
»Ein Freund hat mich gerade angerufen«, erklärte Stein, ohne sich zu rühren. »Er war irritiert, weil ich mich nicht zurückgemeldet hatte. Dabei wusste ich nicht mal, dass er mich überhaupt erreichen wollte. Er hatte nämlich nur mit dir gesprochen.«
»Sie waren im Badezimmer«, sagte Milan schnell.
Stein drehte sich langsam um und schaute den Jungen zornig an. »Warum hast du mir nichts von dem Telefonat erzählt?«
Milan zuckte die Achseln. »Ich habe es vergessen.«
Stein holte tief Luft, als müsste er sich anstrengen, die Fassung zu bewahren. »Lüg mich nicht an!«, brachte er mit kaum beherrschbarer Wut hervor. »Ich weiß, dass du dort warst. Du hast mit Smith gesprochen. Ich habe ihn angerufen. Er hat mir von deinem Besuch erzählt. Ich weiß, was du vorhast.«
»Ich habe gar nichts vor«, widersprach Milan energisch. »Der Typ checkt überhaupt nichts. Er ist ein Säufer.«
»Es war seine Idee!«, rief Stein aufgebracht. »Sein Plan!« Stein ließ das Spülbecken los, machte einen Schritt auf Milan zu und blieb vor ihm stehen. »Und ich kann dir nur davon abraten.«
Vergeblich versuchte Milan, den Vorwurf weiterhin abzustreiten. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
»Heute Abend. Wohin gehst du da? Zum District-Six-Museum vielleicht?« Stein lächelte lakonisch. »Ich hoffe nicht. Denn du bist zu jung, um dich in solche Sachen einzumischen.«
Milan gefiel Steins herablassender Ton nicht. »Mit jung oder alt hat das nichts zu tun!«, wehrte er sich scharf. »Es hat mit richtig oder falsch zu tun.«
Herr Stein verzog das Gesicht und schaute Milan verächtlich an. »Du weißt
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