Justice (German Edition)
kündigte seine Lieferung an und lud die Pflanzen auf einen kleinen Wagen. Der Beamte hatte nichts dagegen. Milan schob den schwer beladenen Rollwagen durch die Eingangstür und atmete erleichtert aus, als er das Museum betrat. Es war genau so, wie Smith es vorausgesagt hatte: Trotz der Waffe in seiner Hose war er problemlos durchgekommen.
Milan war schon mehrmals im District-Six-Museum gewesen und kannte die meisten Ausstellungsobjekte: die Fotos, die die Zerstörung von District Six zeigten, den riesigen Stadtplan, der unter einem Klarsichtschutz den ganzen Boden wie ein Teppich bedeckte und das damalige Viertel abbildete, die alten, abgerissenen Straßenschilder, die persönlichen Erinnerungsstücke der ehemaligen Einwohner, die Porträts und Wandbilder. Alles war in dieser alten Methodistenkirche untergebracht. Die Stimmung war melancholisch, aber auch seltsam energisch, als ob die Geister der ehemaligen Einwohner hier heute noch lebten.
Auch innerhalb des Museums herrschte geschäftiges Treiben. Die Bestuhlung wurde gerade aufgebaut, die Beleuchtung eingerichtet, das Catering im Café-Bereich aufgestellt. Milan schob den Rollwagen zur Bühne, die mittlerweile am Ende des großen Raums fertig aufgebaut war. Er hatte Glück. Die Bühne war mit einem dunkelroten Teppich ausgelegt. Die Palmen und deren Töpfe passten wunderbar dazu. Er stellte sie jeweils an beiden Seiten des langen Tisches ab, hinter dem die abendlichen Gäste ihre Vorträge halten würden. Die Männer, die die Stühle aufstellten, nickten anerkennend. Die Dekoration sah gut aus. Oben auf der Galerie richteten die Mitarbeiter Spots für die Palmen ein. Die grünen Blätter sahen brillant und wunderschön aus, die Bühne wirkte nun nicht mehr so trocken und leblos.
Milan ließ den Rollwagen stehen und ging auf die Herrentoilette. Der Raum war klein und eng und bestand nur aus einem einzigen Urinal und einer Kabine. Milan betrat die Kabine und schloss die Tür hinter sich ab. Er ging in die Hocke und tastete mit der Hand hinter die Toilettenschüssel, fand aber keine passende Stelle, um die Waffe zu verstecken. Er schaute nach oben und sah ein Belüftungsgitter. Alfred Smith hatte recht gehabt: Es gibt immer einen Ort, an dem man eine Waffe verstecken kann. Milan stieg auf den Toilettendeckel und schaute die Schrauben genauer an. Kleine Kreuzschlitzschrauben. Leicht eingerostet, aber immerhin nur zwei. Er nahm sein Taschenmesser aus der Hosentasche und fing an, das Gitter abzuschrauben.
Er hatte gerade losgelegt, als die Eingangstür aufging und jemand die Toilette betrat. Milan hielt schlagartig inne und lauschte angestrengt. Der Mann kam zur Kabine und drückte die Klinke herunter. Er hörte, wie der Besucher genervt mit der Zunge schnalzte. Dann verließ er den Raum wieder.
Milan arbeitete weiter. Immer wieder rutschte die Spitze des Taschenmessers aus dem eingerosteten Kreuzschlitz, doch er kam langsam voran. Er hatte gerade die erste Schraube gelöst, als erneut jemand die Toilette betrat. Es handelte sich offenbar um den gleichen Mann wie beim letzten Mal, denn er machte erneut einen Versuch, in die Kabine zu kommen. Als er die Tür immer noch verschlossen vorfand, fluchte er vor sich hin.
»Ist jemand da drin?«, fragte er genervt.
Milan antwortete nicht. Er wartete mit angehaltenem Atem, bis der Besucher erneut die Toilette verließ. Dann setzte er seine Arbeit fort.
Die zweite Schraube löste sich schneller. Milan steckte sie in seine Brusttasche und entfernte das Gitter. Das Lüftungsrohr war verstaubt, aber leer. Es erstreckte sich einen halben Meter nach hinten. Milan holte die Waffe aus seinem Overall und legte sie hinein. Gleichzeitig ging die Tür auf und zwei Leute betraten den Raum.
»Die Tür ist kaputt«, sagte der Mann, der schon vor zwei Minuten in der Toilette gewesen war.
Der zweite rüttelte an der Tür und stellte fest, dass sie verschlossen war. »Heute Vormittag war sie noch in Ordnung«, sagte er. Milan erkannte die Stimme: Es war der Sicherheitsbeamte von draußen. »Sind Sie sicher, dass niemand da drin ist?« Er zog wieder heftig an der Klinke.
»Entschuldigung!«, rief Milan aus lauter Verzweiflung. »Die Toilette ist besetzt.«
Draußen schnaufte der erste Mann überrascht. »Ja, aber ...«
»Verzeihung«, entschuldigte sich der Sicherheitsbeamte beschämt und wandte sich wieder dem Mann zu. »Sie müssen leider warten.«
»Aber er ist seit zehn Minuten da drin!«, beschwerte sich der Mann
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