Justifiers - Autopilot: Justifiers-Roman 7 (German Edition)
verlassen. Daraufhin sah ich mich genötigt, mit Miss Zelle in Kontakt zu treten, um zu erfahren, wohin er sich begeben hat. Den aufregendsten Teil der Geschichte kennen Sie aus seinem Mund. Was ich dazu beitragen kann, ist Folgendes: Nachdem ich wieder bei ihm war, roch er ein wenig anders als vorher.«
Puh, wie erkläre ich das jemandem mit einem eingeschränkten Geruchssinn?
Bruno wälzte sich erst auf die eine, dann auf die andere Seite. »Kennen Sie das, wenn Sie ein Gericht zum ersten Mal probieren und sich fragen, was dieses ungewöhnliche Prickeln auf Ihrer Zunge auslöst? Ob es ein bestimmtes Gewürz ist oder doch eher die Zubereitungsart, die diesen besonderen Geschmack hervorbringt? So geht es mir jedenfalls mit seinem Geruch. Es ist etwas passiert, als er allein war. Sie können beruhigt sein. Es ist nichts gewesen, was ihn vollkommen aus der Bahn geworfen hat. Kein Schock über eine ungewollte Einsicht in seine wahre psychologische Verfassung oder so etwas in dieser Richtung.«
Soll ich es wirklich sagen? Wenn ich mich täusche, wecke ich nur falsche Hoffnungen bei den beiden. Doch, ich muss …
»Ich halte es für nicht ausgeschlossen, dass ein winziger Teil jener Erinnerungen, auf die er bislang nicht willentlich zugreifen konnte, in sein Bewusstsein getreten ist. Ich vertrete diese Ansicht allerdings unter größtmöglichem Vorbehalt.«
So, das wäre geschafft. Bleibt nur noch eins.
»In Anbetracht der Tatsache, dass diese mögliche Zugriffnahme auf die fraglichen Erinnerungen eingetreten ist, als er nicht unter meiner Beobachtung stand, spiele ich mit dem Gedanken, ihn auch in Zukunft für überschaubare Phasen unbeobachtet zu lassen. Ich beziehe mich dabei auf eine der Theorien von Doktor Woo-Suk, laut der nicht ausgeschlossen werden kann, dass er ein gewisses Maß an Überreizung und kognitiv-emotionalem Druck braucht, um die Erinnerungen freizusetzen. Und dieses Maß an Druck kann er offenbar nur erreichen, wenn er nicht ständig unter meinem direkten Einfluss steht.«
Mach es deutlicher, verflucht! Bruno atmete tief durch und hielt sein Diktafon, wie ein fanatischer Anhänger der Church of Stars eine gerade gefundene Reliquie umklammert hätte.
»Er muss das Gefühl haben, ganz auf sich allein gestellt zu sein. Er muss Todesangst empfinden. Wie damals auf Gambela.«
21
29.09.3042 A.D., 02:01
System: Sol
Planet: Erde
Ort: Lantis Island, Angestelltenapartment 4 3/ 772-LUX
Trudy stand vor dem Schrank, in dem sie eines der wenigen Erinnerungsstücke an ihre Vergangenheit verstaut hatte – im obersten Fach, hinter einem Stapel alter Jogginghosen. Sie konnte nicht schlafen, und wie fast immer, wenn sie keine Ruhe fand, holte sie die Hundemarke aus ihrem Versteck. Sie setzte sich im Schneidersitz vor den Schrank und rieb das kleine Stück Metall zwischen den Fingern. Jemandem, der nur das Leben an einem Ort wie At Lantis kannte, wäre die Marke wahrscheinlich wie ein Anachronismus erschienen, ein Relikt aus einer Zeit hoffnungsloser Rückständigkeit. Trudy hingegen wusste, warum man als Justifier diese vermeintlich überholte Kennzeichnung um den Hals trug, und es hatte nur am Rande etwas mit Tradition zu tun. Metall war robuster und weniger anfällig als Chips. Das war der eine Grund. Der andere war noch ernüchternder: Das Ausgeben von Hundemarken war billiger, als seine Einsatzkräfte zu taggen.
Ich sollte glücklich sein über das, was ich habe. Trudy fuhr den Namen auf der Marke nach. Das wäre ich auch, wenn ich nicht immer das Gefühl hätte, die anderen verraten zu haben. Ich esse von goldenen Tellern und halte irgendwelchen reichen Arschlöchern das Händchen bei ihren großen und kleinen Sünden wider Anstand und Moral. Und meine Kameraden, sie sind irgendwo in fremder Erde verwest. Ich hätte mit ihnen sterben sollen. Sie las den Namen jetzt bewusst. Natasha Bunkanowa … wo bist du?
Trudy raffte sich auf und legte die Marke zurück. Wem mache ich hier eigentlich etwas vor? Ich habe gewusst, worauf ich mich einlasse. Früher hatte sie nie ein Problem mit Infiltrationen gehabt. Nein, es war für sie sogar immer aufregend gewesen, in eine vollkommen andere Rolle zu schlüpfen. Hier, in At Lantis, war es hingegen anders. Ich mag Lantis zu sehr. Das ist es. Er behandelt mich viel zu gut. Er hat es nicht verdient, dass ich ihn anlüge.
Sie setzte sich auf ihr Bett, nahm ihre Multibox und rief die Nachricht auf, die sie noch beantworten musste. Wie alle Botschaften aus dieser
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