Justifiers - Autopilot: Justifiers-Roman 7 (German Edition)
Nichtigkeiten vor sich her, auf die sie zum Glück keine Reaktionen außer einem gelegentlichen Nicken oder einem »Was du nicht sagst?« erwartete.
»Ich bin bald hier weg, weißt du?« und »Jessy, dieses unzuverlässige Luder, hat mir meinen Mascara immer noch nicht zurückgegeben.« und »Ich habe da ein Angebot bekommen, das ich einfach nicht ausschlagen kann, wenn du verstehst, was ich meine.« und »Pop hat irgendwie schlechte Laune in letzter Zeit, und ich glaube, es hängt damit zusammen, dass er eine Ladung echt miesen Stoff gekriegt hat, so richtig derbe stinkendes Kraut.«
Pops Laden, in dem sich Manolete auf seine Einsätze vorbereitete und die Anlaufstelle für die In-House-Kunden des Escort-Services war, lag auf einem der Business-Decks im Bauch des Liners, wo die Miete nicht sofort einen Löwenanteil der Einnahmen auffraß. Zumindest behauptete Pop steif und fest, er hätte die Lage aus diesem Grund so gewählt. Manolete sah die Sache anders. Zum einen war Pop erwiesenermaßen ein Geizhals, der die Handtücher auf den Zimmern genau abzählte und einen furchtbaren Zirkus machte, wenn mal im Eifer des Gefechts ein Wasserbett ein Leck erlitt oder ein Spiegel an der Decke zu Bruch ging. Zum anderen setzte Pop ganz klar auf den Reiz des Verbotenen – in einer Umgebung wie At Lantis, in der das Saubere, das Reine, das Sterile allgegenwärtig war, übte gerade das Anrüchige, das Schmutzige, das Organische eine erstaunliche Anziehung aus.
Auf dem Weg durch den breiten Mittelgang der Fressmeile unmittelbar unterhalb des Oberdecks hätte Manolete vollkommen blind sein müssen, um nicht die Blicke zu bemerken, die ihm und Dove von allen Seiten zugeworfen wurden. Die Menschen, die weitgehend ersatzstofffreie Gerichte in sich hineinstopften, die an anderen Orten von At Lantis trotzdem bestenfalls als billigstes Fastfood erachtet worden wären, waren in ihrem Glotzen und Starren alles andere als dezent. Noch vor einer Woche oder so hätte sich ein kleiner Teil von Manoletes Seele – ein aufmüpfiger, hartnäckiger Teil – beständig gefragt, ob er nicht lieber doch auf einem Schlachtfeld gestorben wäre. Jetzt jedoch war dieser Teil verstummt, und aus dem Spießrutenlauf war für Manolete eine Parade geworden, bei der er sich selbst feierte. Statt ab und an verächtlich zu schnauben und die Fäuste zu ballen, strahlte er übers ganze Gesicht und erwiderte stolz die Blicke, bis ein schwächlicher Mensch nach dem anderen wieder peinlich berührt auf seine frittierten Garnelenschwänze oder sein Lammhack am Stiel oder seinen Mango-Spargel-Salat schaute. Ja, seht nur alle her, ihr Wichte! Ihr habt richtig geraten: Ich gehe ficken. Ich besorg es einer eurer Artgenossinnen, dass sie die Englein singen hört. Und wisst ihr was? Ich kriege sogar noch Geld dafür!
Dove schnatterte noch immer, als sie den Gleiterlandeplatz erreichten. Sie verabschiedete sich von ihm mit einem flüchtigen Kuss auf die Wange, den Manolete nur wegen ihres Schnabels spürte.
Der Pilot hatte bereits die Ladeklappe des Frachtgleiters geöffnet, und auch die Transportkiste mit dem niedlichen Logo von Precious Pets stand schon auf. Zufrieden stellte Manolete fest, dass er heute ganz selbstsicher seinen Platz zwischen Säcken mit Streu und Trockenfutter einnehmen konnte, und seine Fluchtinstinkte regten sich auch dann nicht, als der Pilot die Kiste verschloss. In der Dunkelheit horchte Manolete nach dem Aufheulen der Motoren und dachte darüber nach, wie leicht er aus dieser Kiste hätte entkommen können. Aber wozu? Im Grunde ist es wie früher, vor dem Abwurf über einem umkämpften Planeten. Nur mit dem Unterschied, dass das kein Selbstmordkommando ist. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf, streckte die Beine aus und nahm sich fest vor, seine Kundin lauter zum Schreien zu bringen als jemals zuvor.
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30.09.3042 A.D., 15:44
System: Sol
Planet: Erde
Ort: Lantis Island, Apartment von Hughette Winchester
Der Geruch war schon im Eingangsbereich wie eine Wand. Scharf, drückend, klebrig. Pollock würgte, nahm eine Hand vor den Mund, und in seinem Kopf wallte ein einziges Bild auf, nur für den winzigsten Moment.
Ein Zellengang. Leichenfahle, faltige Leiber hinter Sicherheitsglas. Aus nackten Schädeln ragende Stahlstifte.
Dann zog Bruno an seinem Arm, die Nasenlöcher eng zusammengepresst. »Pollock! Hier riecht’s verdächtig nach K…«
»Ich weiß, wonach es hier stinkt«, unterbrach ihn Pollock, denn ihre Gastgeberin näherte
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