Justifiers - Hard to Kill: Justifiers-Roman 8 (German Edition)
vorwärts und fand Toro vor der Küche, wo er sich mit Tina unterhielt. Zum ersten Mal löste das nicht den freudigen Impuls in ihr aus, sich in der Nähe zu verstecken und zu lauschen.
Als er ihre Schritte hörte, wandte er ihr den Blick zu. Ihr fiel auf, wie seine Hals- und Nackenmuskeln hervortraten, die den Kopf mit den gewaltigen Hörnern trugen – beide zusammen wogen vermutlich so viel wie die ganze Nova. Er runzelte die Stirn, ungnädig wegen der Störung, dann trat Sorge in die dunklen Augen. »Du siehst aus, als ob du in einem Bottich Scheiße tauchen warst, Mädchen. Was ist los?«
»Nox ist da draußen, und Argon will ihn an Bord holen«, erwiderte sie und klammerte sich am Tisch fest, weil ihr der Boden mit einem Mal sehr viel schräger vorkam als in den letzten anderthalb Tagen seit dem Absturz.
Schlagartig verlor sein Gesicht jeglichen Ausdruck. Wenn Toro wütend wurde, dann wurde er nicht blass, das war nicht möglich wegen seines Fells. Ebenso wenig war es möglich, dass sein Fell dunkler wurde, aber trotzdem sah es so aus – als wandelte es sich von einem tiefen Dunkelbraun zu reinem Schwarz. »Nox«, stieß er so dumpf hervor, dass der Boden bebte, und überbrückte die Distanz zwischen ihnen mit zwei Schritten, dann war er an ihr vorbei, unaufhaltsam und auf direktem Weg ins Cockpit.
Sie versuchte erst gar nicht, ihn aufzuhalten. Du also auch , dachte sie und fühlte sich mit einem Mal einsamer als jemals zuvor. Alle wussten Bescheid – alle bis auf die dumme kleine Pilotin. Reiß dich zusammen , befahl sie sich. Ihr war zum Heulen zumute. Zitternd schaute sie sich um und begegnete Tinas freundlichem Lächeln.
»Und was denkst du?«, fragte sie die Androidin. »Du weißt doch bestimmt auch längst, wer Nox ist, richtig?«
»Nox«, erwiderte Tina und legte den Kopf schief, was hinreißend aussah. »Lateinisch für die Nacht , in der alten römischen Mythologie auch ihre Personifikation, eine schwarz beschwingte Göttin. Im zweiten Jahrtausend …«
»Schon gut.«
»War die Definition dabei, die du gesucht hast? Soll ich dir etwas davon weiter ausführen?«
»Nein, danke. Aber du könntest mich erschießen.«
»Das Tragen von Waffen ist mir nicht gestattet«, schnurrte Tina mit leisem Tadel in der Stimme. Tadel Nummer sieben , Nova hatte die Betonung selbst programmiert.
Mitfühlend Nummer dreizehn: »Du klingst traurig. Möchtest du einen heißen Tee?«
»Scheiße, nein.« Nova überlegte kurz und seufzte. »Ja. Ja, bitte.«
Tina lächelte unverändert, während sich Nova auf einen Stuhl fallen ließ und das heiße Gesicht in die eisigen Hände schmiegte. »Bezieht sich das Nein auf das Tragen von Waffen, das erste Ja auf meine Frage, ob du traurig bist, und das dritte Ja auf den Tee?«
»Genau. Ein Tee wäre schön. Einfach irgendeinen heißen Tee, egal, welcher.«
»Gern.«
Aus dem Cockpit, dessen Tür offen stand – natürlich, Toro passte nicht hinein –, drangen laute, zornige Männerstimmen. Sie verstand den Namen des Tiger-Betas und hörte ein paar ungläubige Ausrufe und Flüche.
Nox , dachte sie. Bei der Vorstellung, dass er sich in weniger als einer Stunde an Bord befinden mochte, wurde ihr übel. Und als ihr die bleichen, huschenden Biester dort draußen einfielen, die Stray getötet hatten und deren schwarzes Blut das Fell der drei Betas dort draußen tränkte, stieg Kälte in ihr auf, lähmend wie Eiswasser. Sie wusste genau, wann sie zum letzten Mal solche Angst gehabt hatte – auf dem kleinen Außenposten der Church of Stars, wo ein Kind sie kurz ohne Kontaktlinsen gesehen hatte – und sie keine Stunde später von einem aufgebrachten Mob, der sie lebendig verbrennen wollte, aus dem winzigen Hotel nah der Sprungstation gezerrt worden war. Sie erinnerte sich an die Blumen auf dem Fensterbrett, der letzte Eindruck ihres Zimmers, bevor sie ihr einen nach Erde und Moder stinkenden Leinensack über den Kopf gezogen hatten.
Tina brachte ihren Tee. Nova starrte die Teetasse an und hätte fast gelacht. Scheiterhaufen und Blumen. Bleiche Aliens, Geheimnisse, verrückte Tiger-Betas und heißer Tee in Tassen, die Motive aus Kinderserien trugen … Gwennis Vermächtnis.
»Kann ich sonst noch etwas für dich tun?« Tinas Stimme war weich und warm wie eine Umarmung – die Originalstimme, nur dass Nova einen Großteil der fast siebenhundert Erotik-Modulationen gegen alltäglichere Betonungen ausgetauscht hatte.
Unvermittelt stand sie auf und umarmte Tina. Schob die Hände
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