Justin Mallory 03 - Mallory und der Taschendrache
schon mal gesehen zu haben. Man findet in dem Tunnel nur die Straße mit den Fahrspuren, sonst nichts.«
»Wann bist du zuletzt hindurchgefahren?«
»Nicht mehr, seit ich in dieses Manhattan kam«, räumte Mallory ein.
»Na ja, das erklärt es.« Dawkins holte einen Schokoriegel aus der Tasche und befreite ihn von der Verpackung.
»Wenn du dir schon keine Sorgen um das Gewicht machst, solltest du vielleicht darüber nachdenken, was dieser Fraß mit deiner Gesundheit anstellt«, schlug Mallory vor.
»Das siehst du ganz falsch«, entgegnete Dawkins. »Das hier enthält nicht nur die drei wichtigsten Nährstoffgruppen – Schokolade, Erdnussbutter und Zucker –, sondern es spendet auch Energie.«
»Du hast in den zurückliegenden zwei Stunden genug von dieser Energie gefuttert, um Mexico City eine Woche lang zu beleuchten«, sagte Mallory.
»Du übertreibst!«, lachte Dawkins. Auf einmal schwand das Lächeln. »Vielleicht Boise, Idaho.«
»Winnifred hat gerade durchgegeben, dass sie die leeren Wohnungen von Cole Younger und William Bonney ausfindig gemacht hat«, sagte Belle.
»Ich habe dich gar nicht klingeln gehört«, sagte Mallory.
»Du hast meinen Klingelton abgestellt, weißt du noch?«
»Solltest du nicht trotzdem vibrieren oder so was?«
»Nur du kannst mich zum Vibrieren bringen, heißer Küsser.«
»Versuchst du vielleicht, mich verlegen zu machen?«, fragte Mallory.
»Nein«, entgegnete Belle. »Ich versuche, dich über alle Grenzen des Erträglichen hinaus in Fahrt zu bringen.«
»In Fahrt bringen ist eine ganz eigene Sache, aber du näherst dich schnell der Grenze des Erträglichen«, sagte Mallory. »Bemühe dich mal um normale Gesprächsformen, ja?«
»Aye, aye, Sir«, sagte Belle. »Verstanden. Roger. Over and out.« Sie zögerte. »Ist es so besser, mein Zuckerstück?«
Mallory entschied, dass es einfacher war, sie zu ignorieren, als sich mit ihr zu streiten, und er schritt schneller aus. Er musste jedoch bald wieder langsamer gehen, als Dawkins zu weit zurückfiel.
»Das macht Spaß!«, schwärmte Felina. »Wir sollten häufiger mitten in der Nacht hinausgehen und gar nichts tun, John Justin.«
»Es ist nicht so, dass wir nichts täten «, korrigierte Mallory sie. »Wir erreichen nur nichts.« Er wandte sich an Dawkins. »Und das sollte lieber schnell zu einem Ende kommen.«
»Damit kenne ich mich aus«, sagte Dead End Dugan, von dem nichts mehr zu hören gewesen war, seit sie das World Jade Center verlassen hatten.
»Womit kennst du dich aus?«, fragte Mallory verwirrt.
»Damit, zu einem Ende zu kommen«, antwortete Dugan. »Zu einem Ende kommen, das kann ich mit am besten.« Er runzelte die Stirn. »Oder zumindest am häufigsten.«
»Joe En-lai steht immer besser da«, brummte Mallory.
»Nicht so gut wie du, Knuddel.«
»In meinem Manhattan war es gar nicht so schlecht«, überlegte Mallory wehmütig. »Ich konnte die Rechnungen nicht bezahlen, und meine Frau ist mit meinem Geschäftspartner durchgebrannt, und die Gerichte haben die Schurken schneller wieder auf die Straße geschickt, als wir sie anschleppen konnten … aber das alles ergab auf eine gewisse korrupte Art und Weise Sinn.«
»Du musst größer denken«, wandte Dawkins wissend ein. »Wenn schon korrupt, dann muss man vom Sinn zum Profit vorangehen.«
»Danke für diese Überlegung«, sagte Mallory trocken.
»Da sind wir«, sagte Dawkins und deutete auf den Eingang zum Tunnel, einem pechschwarzen Loch in einer fast schwarzen Umgebung.
»Wie weit?«, fragte Mallory, als sie hineingingen. »Und was ist mit der Beleuchtung passiert?«
»Es geht hier um Einsparungen«, erklärte Dawkins. »Kaum jemand fährt um drei Uhr morgens durch den Tunnel.«
»Vorsicht!«, sagte Mallory, als vier Autos sie mit den Scheinwerfern blendeten und vorbeirasten.
»Na ja, fast kaum jemand«, korrigierte sich Dawkins, als ein weiteres Auto und ein Lastwagen vorbeibrausten.
»Bist du sicher, dass es hier ist?«, wollte Mallory wissen, nachdem sie weitere hundert Meter zurückgelegt hatten.
»Wir kommen der Sache näher«, sagte Dawkins. »Vertraue mir.«
»Ist das ein Laden mit Durchfahrtsbedienung?«
»Nein, natürlich nicht«, entgegnete Dawkins. »Es ist ein reguläres Geschäft. Kein echter New Yorker hat ein Auto.« Auf einmal bog die Tunnelwand ab und erzeugte so eine gemütliche und matt beleuchtete Nische. »Da sind wir.«
Ein alter Mann mit wildem zerzaustem Haar und buschigem weißem Bart stand hinter einem
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