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Justiz

Justiz

Titel: Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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beweisbare Tatsache.
    »Über den Grund dessen, weshalb Ihr Vater verurteilt worden ist, Fräulein Kohler, bin ich nicht informiert«, erklärte ich deshalb vorsichtig, »ich meine etwas anderes. Etwas, was nicht seine Tat, sondern den Auftrag erklärt, den er mir zumutet. Ihr Vater will durch diesen Auftrag das Mögliche erforschen. Das ist sein wissenschaftliches Ziel, wie er behauptet. Ich habe mich strikt daran zu halten.«
    »Kein Mensch kann das glauben!« rief Hélène erregt aus.
    Ich widersprach.
    »Ich habe es zu glauben«, erklärte ich, »denn ich habe den Auftrag angenommen. Er ist für mich ein Spiel, das sich Ihr Vater leisten kann. Andere halten sich Rennpferde. Ich halte das Spiel Ihres Vaters als Jurist für weitaus spannender.«
    Sie überlegte.
    »Ich bin sicher«, antwortete sie endlich zögernd, »daß Sie den wirklichen Mörder finden werden, jemand, der Papa gezwungen hat zu morden. Ich glaube an Papa.«
    Ihre Verzweiflung tat mir leid. Ich hätte ihr gerne geholfen, aber ich war machtlos.
    »Fräulein Kohler«, antwortete ich, »ich will ehrlich zu Ihnen sein.
    Ich glaube nicht, daß ich diesen Jemand finden werde. Aus dem einfachen Grunde, weil es diesen Jemand nicht gibt. Ihr Vater läßt sich nicht zwingen.«
    »Sie sind sehr ehrlich zu mir«, sagte sie leise.
    »Ich möchte, daß Sie mir vertrauen.«
    Sie starrte in mein Gesicht, aufmerksam, finster. Ich wich ihrem Blick nicht aus.
    »Ich vertraue Ihnen«, sagte sie dann.
    »Ich kann Ihnen nur helfen, wenn Sie jede Hoffnung aufgeben«, sagte ich. »Ihr Vater ist ein Mörder. Sie können ihn nur begreifen, wenn Sie nicht in der falschen Richtung suchen. In Ihrem Vater ist der Grund seines Verbrechens zu suchen, nicht in jemand anderem.
    Kümmern Sie sich nicht mehr um seinen Auftrag. Er ist meine Angelegenheit.«
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    Ich stand auf. Sie erhob sich ebenfalls.
    »Warum haben Sie den Auftrag angenommen?« fragte Hélène.
    »Weil ich Geld benötige, Fräulein Kohler. Machen Sie sich keine falsche Vorstellung von mir. Mag Ihr Vater auch einen wissenschaftlichen Wert in diesem Auftrag sehen, für mich ist er nur eine Möglichkeit, meine Praxis in Fahrt zu bringen, aber Ihnen darf er keine falsche Hoffnung erwecken.«
    »Ich verstehe«, sagte sie.
    »Ich kann es mir nicht leisten, anders zu handeln, als ich nun handle, ich muß dem Wunsch Ihres Vaters gehorchen. Aber Sie müssen wissen, wem Sie vertrauen.«
    »Gerade Sie werden mir helfen«, sagte Hélène und reichte mir die Hand. »Ich bin glücklich, Sie kennengelernt zu haben.«
    Vor dem Park wartete Lienhard immer noch in seinem Porsche, aber auf dem Beifahrersitz, rauchte immer noch Zigaretten, abwesend, in sich versunken.
    »In Ordnung«, sagte ich. »Ich habe den Auftrag angenommen.«
    »Auch den Scheck?« fragte er.
    »Auch.«
    »Schön«, sagte Lienhard.
    Ich nahm am Steuer Platz. Lienhard bot mir eine Zigarette an, gab mir Feuer. Ich rauchte, fuhr mit beiden Händen über das Steuerrad, dachte an Hélène und war glücklich. Ich freute mich auf die Zukunft.
    »Wie?« fragte Lienhard.
    Ich überlegte, fuhr noch nicht an. »Es gibt nur eine Möglichkeit«, antwortete ich. »Für uns ist jetzt Kohler nicht mehr der Mörder. Nun müssen wir mitspielen.«
    »Einverstanden.«
    »Befragen Sie die Zeugen noch einmal« fuhr ich fort.
    »Untersuchen Sie Winters Vergangenheit, welche Bekannten, welche Feinde.«
    »Beschäftigen wir uns mit Dr. Benno«, antwortete er.
    »Mit dem Olympia-Heinz?« fragte ich verwundert.
    »Winters Freund«, erklärte Lienhard. »Und mit Monika 72
    Steiermann.«
    Monika Steiermann war die Alleinerbin der Hilfswerke Trög AG.
    »Warum?« fragte ich.
    »Bennos Freundin.«
    »Die lassen wir lieber aus dem Spiel«, sagte ich nachdenklich.
    »Okay«, antwortete Lienhard. Irgend etwas stimmte nicht.
    »Merkwürdig«, sagte ich.
    »Was denn?« fragte Lienhard.
    »Kohler hat Sie mir empfohlen.«
    »Zufall«, sagte Lienhard.
    Ich startete und fuhr vorsichtig. Ich hatte noch nie hinter dem Steuerrad eines Porsche gesessen. Auf der Bahnhofsbrücke fragte Lienhard: »Kennen Sie Monika Steiermann, Spät?«
    »Ich sah sie nur einmal.«
    »Merkwürdig«, sagte Lienhard.
    Beim Talacker lud ich ihn aus, fuhr dann aus der Stadt.
    Irgendwohin. Planlos in den Herbst hinein. Vor das Bild Hélène Kohlers hatte sich das Bild Monika Steiermanns geschoben, ein Bild, das ich vergeblich zu verdrängen suchte.

II
    Beginn der Recherchen: Mein besseres Leben begann mit Elan.
    Schon am

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