Juwel meines Herzens
einem guten Grund, nicht wegen des Geldes. Er würde nicht mehr zulassen, dass ihm die Moral seines Vaters dabei im Weg stand, die Dinge zu erreichen, die er wollte oder brauchte. Und das Gleiche galt für die Beziehung zu seiner Frau. Piraten plünderten. Nahmen sich, was oder wen sie wollten. Als Nolan die Augen schloss, stellte er sich seinen nächsten Besuch bei Jewel vor.
Plötzlich vernahm er ihre Stimme, gefolgt von einem unterdrückten Schrei. Er öffnete die Augen, war wieder ganz in der Realität. Der Schrei hatte nicht zu seinem Traum gehört. »Behalt sie im Auge!«, rief er Wayland noch zu, dann stürmte er aus der Kombüse.
Er hastete die Stufen zum Deck hinauf. Die Nacht hatte sich wie ein undurchsichtiger schwarzer Vorhang über das Schiff gelegt. Er lauschte, konnte aber kein Geräusch mehr ausmachen. Der Schrei war vom Deck gekommen; er war sich ganz sicher. »Tyrell!«, rief Nolan.
»Hier drüben! Er hat Jewel!«, rief der Leutnant von achtern.
Nolan rannte los und zog sein Schwert. Er entdeckte Jewel, die gegen die Reling gepresst wurde. Ein ihm unbekannter Mann stand neben ihr. Obwohl er nicht viel größer war als sie, war sie ihm ausgeliefert. Nach ein paar weiteren Schritten konnte Nolan das Blitzen eines Messers an ihrer Kehle ausmachen. Er verlangsamte sein Tempo und näherte sich vorsichtig.
Tyrell hatte eine Pistole auf das Paar gerichtet.
Bei Nolans Anblick verkrampfte sich der Griff des Mannes um Jewel. Scharf sog sie den Atem ein. In Nolans Ohren klang es wie ein Kanonenschlag. Eine dunkle Blutspur lief bereits an ihrem weißen Nacken hinab.
»Zurück, ihr beiden, oder ich schlitze ihr die Kehle auf. Und das ist kein leeres Versprechen.« Der Seemann bewegte sich mit Jewel einige Zentimeter zur Seite. Tyrell folgte ihnen mit dem Lauf seiner Pistole.
»Leutnant, legt die Waffe weg«, befahl Nolan mit überraschend ruhiger Stimme, während er sich selber seines Schwertes entledigte.
Murrend senkte Tyrell die Pistole, aber aus seiner Haltung sprach, dass er sich auch mit leeren Händen auf den Angreifer stürzen würde – was nicht gerade dazu führte, dass der Mann, der Jewel umfasst hielt, ruhiger wurde.
Mit langsamen, bedachten Schritten bewegte sich Nolan auf ihn zu. Hinter sich hörte er jemanden näher kommen, drehte sich aber nicht um. Eine Laterne wurde herbeigetragen. Als der Lichtschein Jewels Gesicht beleuchtete, ließ ihr ängstlicher Gesichtsausdruck Nolans Urteilsvermögen ins Wanken geraten. Der Mann, der es wagte, sie so anzufassen, würde dafür sterben.
»Zum Teufel noch mal, was machst du da, Marcus?«, rief plötzlich der hübsche Jack.
»Sie gehört mir, Captain, und ich werde sie nicht teilen. Sag ihnen, dass sie abhauen sollen, wenn sie nicht aufgeschlitzt werden wollen«, sagte der Pirat an Jewels Seite.
Nolan spürte Jewels suchenden Blick, vermied es aber, sie direkt anzusehen. Keine Sekunde wollte er ihren Kidnapper aus den Augen lassen. Als er trotzdem ihr Gesicht streifte, wusste Nolan, dass er, würde er ihre Angst zu sehr an sich heranlassen, nicht mehr das tun konnte, was er musste.
Mit erhobenen Händen trat der hübsche Jack zu Nolan. »Konntest du wenigstens die Karte sichern?«
Wayland deutete voller Vorwurf auf Jack Casper. »Du verdammter Bastard, du! Das war es also, was du die ganze Zeit über wolltest.«
»Nein, ich … ich habe sie vergessen!«, rief Jewels Kidnapper.
Der Mann zeigte erste Zeichen von Panik. Das machte ihn gefährlicher, aber es schwächte auch seine Entschlossenheit.
Casper wandte sich an Nolan. »Ich schlage dir ein Geschäft vor, das uns alle glücklich machen wird. Wir tauschen das Mädchen gegen die Karte aus.«
Nolan hatte den entscheidenden Fehler gemacht, den Hurensöhnen auch nur im Geringsten entgegenzukommen. So ein Fauxpas würde ihm nicht noch einmal passieren. »Ich habe dir gerade eben schon gesagt, dass ich dem Spielen nicht zugeneigt bin.«
»Ich werde das Mädchen nicht mehr hergeben. Die anderen werden mich umbringen, wenn ich das tue. Aber die Dunkelhaarige hier hat so kalte Augen, dass einem das Blut in den Adern gefriert.«
Jack Casper lächelte. Die Wirkung war beängstigend. »Das ist kein Spiel, sondern ein ordentliches Geschäft unter Freunden. Wir geben dir deine Frau hier zurück, und im Gegenzug überlässt du uns die Karte deines Großvaters. Ich weiß, dass du sie hast. Der schlaue alte Fuchs Wayland ist doch auch nur aus einem einzigen Grund hier.«
Nolan erwiderte Jack
Weitere Kostenlose Bücher