Juwel meines Herzens
beschmutzten Planken reinigen, noch ehe die Sonne aufging. Er selber spürte angesichts der grausigen Szene lediglich kalte Befriedigung.
Casper wandte sich ihm wieder zu. »Haben wir alles geklärt?«
»Geklärt? Ich glaube kaum. Du hast versucht, mich zu bestehlen, während ich deine ausgehungerte Crew verköstigt habe!« Nolan zog Jewel enger an sich. Eigentlich sollte er dem anderen Mann nicht sehen lassen, wie viel sie ihm bedeutete, aber in diesem Moment durfte sie nicht von seiner Seite weichen. Der Gedanke daran, sie fast verloren zu haben, brachte sein Herz zum Rasen. »Wir haben noch lange nicht alles geklärt, Jack.«
Jewel wand sich aus seinen Armen. »Ist das alles, um was es dir geht? Um deine kostbare Karte? Ich wäre fast getötet worden! Warum hast du es nicht einfach geschehen lassen?«
Jack erhob seine Stimme. »Weil er dann auch mich getötet hätte. An das Weib eines Mannes Hand zu legen, ist ein schweres Vergehen.«
Jewel sah Jack an. »Aber ich bin nicht sein ›Weib‹. Ich bin seine –«
Nolan umfasste ihr Handgelenk und drückte stark zu. »Still. Heute Nacht hast du schon genug Ärger gemacht.« Sein Griff wurde noch fester, bis er den Knochen unter ihrer Haut spüren konnte. Mit Sicherheit würde sie blaue Flecken davontragen.
Casper war also hinter der Karte her, genau wie hundert weitere Piraten, denen Captain Kents Legende bekannt war. Solange Bellamy noch am Leben gewesen war, hatte sein übler Ruf die Schatzjäger im Zaum gehalten. Nolans neuer Leumund musste jetzt denselben Zweck erfüllen. Er konnte es sich nicht leisten, jedem seine verwundbarste Stelle zu zeigen. Es wäre zu ertragen, wenn alle Welt glaubte, er habe sich in seine letzte Hure vergafft, aber er konnte nicht das Gerücht akzeptieren, dass er eine tiefe und dauerhafte Beziehung zu der Frau auf seinem Schiff führte.
Jewel schloss den Mund, aber ihr Blick sprach Bände: Er hatte sie verletzt. Nolan schob sie hinter sich, hielt aber selbst dabei noch ihre Hüfte fest umschlossen.
»Du hast Glück, Jack. Du hast das Leben von meinem Weib gerettet, und da ich sehe, dass sie wohlauf ist, bin ich dir dankbar. Also werde ich dein Leben verschonen.«
Casper lächelte. »Ich wusste doch, dass du ein guter Junge bist.«
Nolan erwiderte das Lächeln. »Du und deine Crew, ihr könnt euch in unseren Langbooten in Sicherheit bringen, während wir euer Schiff niederbrennen.«
»Ach, komm schon, Nolan. Ich schlage dir einen anderen Deal vor, ja?«
»Keine Geschäfte mehr, Jack. Ich schenke dir dein Leben, und das ist mehr als du verdienst.«
Jack zuckte mit den Achseln. »Könnten wir dann nicht vielleicht ein kleines Schlückchen für die Reise haben? Du weißt, wie weit es bis zur Küste ist …«
»Nehmt, was ihr wollt.«
Jack lächelte. »Ach, du
bist
ein guter Junge, Nolan.«
»Aber das ist nicht die Botschaft, die du der Bruderschaft überbringen sollst. Stell bitte klar, dass Nolan Kent in die Fußstapfen seines Großvaters getreten ist. Jeder andere, der sich einbildet, er könne sich die Karte schnappen, wird nicht mit dem Leben davonkommen.«
Jack verbeugte sich. »Es wird mir ein Vergnügen sein, Captain Kent.«
Nolan grinste, zufrieden, dass seine Drohung schrecklich genug geklungen hatte, um jeden von seinem blutrünstigen Wesen zu überzeugen. »Leutnant Tyrell, lasst sie zu Wasser und schafft alles von Wert aus ihrem Schiff.«
Jack und seine Crew wurden zur Strickleiter gescheucht, und Nolan entließ Jewel aus seinem Griff. »Warum hast du ihnen nicht gesagt, dass ich deine Frau bin?«
Nolan seufzte. »Weil es nicht stimmt.«
Jewel wich zurück, als hätte er ihr mit der Faust gedroht. »Du hast mich also belogen? Die Hochzeit war gar nicht gültig? Du hast mich nur benutzt, um das zu bekommen, was du wolltest?«
Nolan strich sich mit den Fingern durch sein Haar. An dem vergessenen, goldenen Ohrring blieb er hängen. Er würde ihn behalten. Er passte einfach zu gut zu seinen neuen Plänen. »Wir wissen beide, dass ich nicht bekommen habe, was ich will. Aber das wird sich ändern.«
Jewel wich weiter vor ihm zurück und musterte ihn aufmerksam. »Aber du hast doch deine kostbare Karte. Was sonst könntest du noch von mir wollen?«
Nolan griff nach ihrem Handgelenk und zog sie an sich. »Dich. Und zwar auch im wirklichen Leben, nicht nur auf dem Papier.«
Er ging in die Knie und hievte sich Jewel mit Schwung über die Schulter. Sie stützte sich mit den Händen auf seinem Rücken ab,
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