Juwel meines Herzens
wie ein Spielzeug, für das sie zu alt geworden war. Jetzt, da ihre Augen geöffnet worden waren, musste sie an einer Beziehung mit dem realen Mann arbeiten. Es würde nicht die gleiche sein wie in ihren Träumen. Nein, sie würde besser sein, denn im Gegensatz zu ihren Träumen war diese Beziehung echt. Jetzt musste sie es nur noch schaffen, ihren Mann davon abzuhalten, Bellamy umzubringen.
Als ihr Atem wieder normal ging, begann Jewel, ihre Gedanken zu ordnen. Natürlich würde sie keine Probleme damit lösen, wie ein Kind davonzulaufen. Außerdem war sie schon zu weit gekommen, als dass sie einen der beiden Männer hätte ziehen lassen können.
Sie stand auf und strich ihren Rock gerade. Noch war sie nicht bereit, ihnen gegenüberzutreten. Schließlich musste sie nicht nur eine Beziehung zu ihrem Vater aufbauen, sondern auch die zu ihrem Mann entwirren. Obwohl Bellamys Tod jetzt nicht mehr wie ein Damoklesschwert über ihren Köpfen schwebte, gab es noch immer einige undurchsichtige Themen in ihrer hastig geschlossenen Ehe.
Nolan hatte keine Zweifel, dass er sie zur Frau haben wollte. Sein Körper zeigte ihr deutlich, dass das die Wahrheit war, auch wenn er noch immer nicht gesagt hatte, dass er sie liebte. Bei alldem, was ihnen noch bevorstand und bereits hinter ihnen lag, herrschte weiterhin mehr Verworrenheit als Klarheit. Jewel drang noch etwas weiter ins Innere der Insel vor und ging dann einen leichten Anstieg hinauf. Ein Orchester aus Vogelgezwitscher ließ sie optimistischer werden. Sie blickte auf, fasziniert von dem Licht, das in den Blättern spielte.
Ihr Herz, ihre Intuition jagte ihr Angst ein. Sie war sich nicht mehr sicher, ob sie sich darauf verlassen konnte. Ein Leben lang hatte sie an einen Mann – ihren Vater – geglaubt, von dem sie jetzt wusste, dass er ihre Loyalität nicht verdiente. Was wäre, wenn sie sich auch nicht auf ihr Urteil über Nolan verlassen konnte? Schließlich war er genauso ein Pirat wie ihr Vater gewesen, hatte sich von der Aussicht auf Ruhm und Reichtum verführen lassen. Vielleicht hatte ihre Mutter mit ihrem Vater ja den gleichen romantischen Illusionen gefrönt, wie Jewel es jetzt mit Nolan tat – bis das Abenteuer geendet hatte, indem sie mit einem Baby von Bellamy sitzengelassen wurde.
Jewel hatte zwar keinerlei Grund zu glauben, dass Nolan so gleichgültig wie ihr Vater sein konnte, aber sollten sie den Schatz hier nicht finden, würde es vielleicht noch lange dauern, bis sie darüber Gewissheit hatte. Trotzdem musste ihr eigenes Abenteuer hier nicht enden. Ihr blieb noch mehr Zeit, um Vertrauen zu ihrem Mann zu fassen.
Das Geräusch von glucksendem Wasser ließ Jewel ihren Schritt beschleunigen. Die Insel zu erkunden, hatte ihre Stimmung gebessert – das Gefühl der Unabhängigkeit berauschte sie. Bisher hatte sie viel zu viel Zeit damit verbracht, darauf zu warten, gerettet oder geleitet zu werden.
Seltsam, dass sie sich plötzlich fast davor fürchtete, den Schatz zu finden. Sie konnte nicht sicher sagen, was sie sich jemals davon erwartet hatte, aber jetzt erschien es ihr so, als ob der Reichtum eher dazu führen würde, dass sie den Mann verlor, den sie liebte, statt zum Glück.
Das Wasser musste jetzt ganz in ihrer Nähe sein. Das Plätschern wurde immer lauter. Aber es war kein gewöhnlicher Bach, der den Lärm machte. Jewel schob Zweige beiseite und beachtete in ihrer Eile, ans Ziel zu kommen, die Äste nicht, die sich in ihrem Haar verfangen hatten. Sie fluchte. Vor ihr tat sich eine kleine Lichtung auf und leichter Sprühnebel legte sich auf ihre Haut. Voller Ehrfurcht blickte sie auf die pure Schönheit eines riesigen Wasserfalls hinab. Das in mehreren Kaskaden in die Tiefe stürzende Wasser reflektierte das Licht und ließ einen Regenbogen leuchten. Unten, wo Jewel stand, umgaben saftige Farne einen dunklen Teich. Sie trat an sein Ufer. Das Wasser schäumte und ließ ihn unergründlich wie schwarzes, wogendes Glas erscheinen.
Der Anblick dieser unberührten Szenerie weckte in ihr die Lust, sich die Kleider abzustreifen und ins Wasser zu springen. Sie kniete sich nieder, um eine Handvoll Nass zu schöpfen. Hineinzuwaten war wohl kaum möglich, der Boden schien unter der Wasseroberfläche sofort steil abzufallen und direkt bis zur anderen Seite der Welt hinabzuführen.
In der schwülen Hitze des Dschungels forderte das kühle Wasser ein Bad geradezu heraus. Der Großteil des geschöpften Wassers rann Jewel schnell durch die Finger, aber
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