Juwel meines Herzens
Pirat ausliefern, denn dann müsste ich mit mir das Gleiche tun. Wir regeln das mit den Gesetzen der Bruderschaft. Es wird einen Kampf auf Leben und Tod geben.«
Selbst Tyrell war zu geschockt, um noch etwas zu sagen. Wenn niemand diesem Wahnsinn Einhalt gebot, dann würde es auch Jewel nicht tun. Wieder spürte sie Nolans Blick, doch diesmal zwang sie sich, ihm in die Augen zu sehen. Die ersten Sterne glitzerten am Himmel und ließen die Welt in einem freundlichen Glanz erstrahlen, während der Mann, den sie liebte, sie ohne die leiseste Spur eines Lächelns anstarrte. Seine Miene spiegelte die Trostlosigkeit wider, die ihr nun durch die Glieder kroch und sogar die Wunde an ihrer Schulter betäubte. »Ich muss es tun.«
Sie zwang sich, dem Blick standzuhalten, nicht zu blinzeln. »Ich weiß.«
Er wandte sich wieder an die Umstehenden. »Die Regeln sind … Es gibt keine Regeln. Einverstanden?«
Bellamy zeigte auf Tyrell. »Dann sag Babyface hier, dass sich die Crew nicht einmischen wird. Auch dann nicht, wenn ich so viele Löcher in dich gebohrt habe, dass du Blut wie ein Springbrunnen verspritzt.«
Die Stimme des Leutnants klang tiefer als gewöhnlich. Er hatte sich von seinem Schock erholt, jetzt war er nur noch wütend. »Ich greife nicht ein. Ich werde noch nicht einmal da sein, um mir euer Gemetzel anzusehen.« Damit verschwand er an ihnen vorbei in die grüne Hölle.
»Die jungen Leute haben heutzutage einfach keinen Respekt mehr vor dem Alter«, murmelte Bellamy.
»Sind wir uns also einig?«, fragte Wayland.
»Einig«, antworteten Jewels Vater und ihr Mann einstimmig.
Sie schloss die Augen. Sie konnte es nicht ertragen, mitansehen zu müssen, wie sich die beiden wichtigsten Männer in ihrem Leben mit derart unverhohlenem Hass anstarrten. Einen von ihnen würde sie verlieren, und so verzweifelt sie Nolan auch liebte, sie konnte ihrem eigenen Vater doch nicht den Tod wünschen! Trotzdem wusste sie, dass Nolan lieber in einem fairen Kampf sterben, als sich sein restliches Leben dazu zwingen würde, anständig mit einem Menschen umzugehen, den er mit seinem ganzen Wesen verabscheute. Egal wie der Kampf ausging, Jewel würde dabei verlieren. »Einig«, flüsterte sie für niemand Bestimmten.
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Kapitel einundzwanzig
N olan maß ungeduldig den Durchmesser des Lichtkegels, den die Fackeln auf den Boden warfen, mit Schritten ab, während er darauf wartete, dass seine Männer mit den Schwertern vom Schiff zurückkamen. Die Buschmesser würden für diesen Anlass nicht genügen. Lieber wollte Nolan eins seiner zwei schönen, gut ausgewogenen Schwerter aus Damaskus-Stahl benutzen, die er sich noch aus seinen Tagen mit Bellamy aufbewahrt hatte. Die Goldgriffe waren je mit zwei Rubinen und einem großen Smaragd besetzt, aber das war nicht der Grund, warum Nolan sie als Einziges behalten hatte. Ansonsten hatte er jeden unrechtmäßig erworbenen Gegenstand veräußert, in dessen Besitz er in seiner Jugend als Pirat gekommen war. Die Waffen verkörperten eine Handwerkskunst, die er mehr schätzte als ihren Goldwert, und die Wahrheit war, dass er sie genau für diesen Augenblick aufbewahrt hatte. Beide Schwerter waren perfekt aufeinander abgestimmt. Weder er noch Bellamy hatten somit irgendeinen Vorteil, was die Waffen betraf.
Er warf einen verstohlenen Blick zu Jewels Vater hinüber, der sich friedlich und ruhig im nächtlichen Schatten ausgestreckt hatte. Der Ältere sollte seine Kräfte ruhig sparen. Er würde sie brauchen.
Nolans Zorn machte ihn so unruhig, dass er sich nicht still hinsetzen konnte und wollte. Er musste nur die Augen schließen, dann sah er wieder das Blut an Jewels Kleid hinabtropfen und eine unendlich heiße Kraft entzündete sich in ihm. Er sah sich nach seinen Männern um, die sich in der Zwischenzeit am Strand versammelt hatten. Dass Jewel nicht bei der Besatzung war, würde ihm den emotionalen Aufruhr ersparen, zu dem es mit Sicherheit gekommen wäre, hätte er sie wegschicken müssen – eine Ablenkung von seiner Konzentration, die er sich nicht leisten konnte. Wenn alles vorbei war, würde er einen Weg finden, Jewel zu überzeugen, dass sie ihn noch immer lieben konnte. Und falls er Bellamy nicht besiegte, war ohnehin alles egal.
Obwohl Tyrell kaum mit ihm sprach und sicherlich im Moment auch keine Befehle von ihm annehmen würde, hatte er eingewilligt, während des Kampfes bei Jewel zu bleiben. Und obwohl er es nicht noch einmal explizit erwähnt hatte, ging Nolan davon aus,
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