Juwel meines Herzens
Aufregung, die in der Luft lag, deutlich zu spüren. Genau wie die Tatsache, dass die Besatzung ihren Captain in diesem Augenblick mehr liebte und akzeptierte als je zuvor.
Nolan verbarg sich nicht länger hinter der Maske seiner Vorschriften. In diesem Moment war er Captain Kenton, ein geborener Anführer, in dessen Inneren es keine Zerwürfnisse oder Kämpfe mehr gab. Die Leichtigkeit und Leidenschaft, mit der er ihren Angriff plante, waren inspirierend.
Die Attacke würde sich an einem Ereignis orientieren, in das Nolan vor ein paar Jahren verwickelt gewesen war: die Bostoner Tea Party. Jewel hatte davon gehört. Jeder hatte davon gehört! Und weil der Skandal damals die ganze Welt schockiert hatte, war Jewel umso überraschter, dass Nolan damals in Person mitgemischt hatte. Sie hätte schwören können, dass es ihm heute absolut unmöglich war, das Gesetz zu brechen.
Aber heute Nacht würden Nolans Männer Piraten und keine Indianer sein wie damals in Boston. Einige würden einen Aufruhr veranstalten, während andere sich an Bord der
Neptune
schlichen und ihre Männer zurückholten. Es war üblich, dass die erst kürzlich rekrutierten Männer an Bord bleiben mussten, während der Rest der Mannschaft Landgang hatte. Mit ein wenig Glück würde die
Integrity
bereits weit, weit weg sein, bevor die Engländer überhaupt etwas von den Geschehnissen bemerkten.
Die Männer an Deck waren viel zu sehr darin vertieft, Pläne zu schmieden und ihre Verkleidung zu gestalten, als dass sie Jewel wahrgenommen hätten, als sie zu ihnen zurückkehrte. Sie glättete das Futteral ihrer Kleider, glücklich darüber, nichts von der ganzen Aufregung verpassen zu müssen – auch wenn sie damit Nolans Zorn auf sich ziehen würde. Falls sie erwischt wurde, würde er zumindest gezwungen sein, sich mit ihr auseinanderzusetzen und seine kühle, höfliche Haltung endlich aufzugeben.
Nolan erschien in einem leuchtend blauen Mantel an Deck. Die blanken Kupferknöpfe reflektierten das Licht in der Dämmerung. Jewel ging hinter einem Mast in Deckung. Falls irgendjemand sie bemerkte, wäre er es. Aber offenbar schien er genauso aufgeregt wie alle anderen zu sein. Jewel riskierte einen Blick hinter dem Mast hervor und fragte sich, ob er vorhatte, seine Männer zu begleiten. Falls er beschlossen hatte, an Bord der
Integrity
zu bleiben, würde das ihren Plan, der Crew zu Hilfe zu kommen, mit größter Wahrscheinlichkeit vereiteln. Er würde sie in ihre Kajüte schicken, sobald er sie erblickt hatte.
Als Nolan unter seine versammelten Männer treten wollte, stellte sich Wayland ihm in den Weg und musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Gefällt mir gar nicht«, brummte er. »Glaubst du etwa, gewichste Stiefel können dieses englische Pack täuschen, wenn sie dich an Bord ihres Schiffes erwischen?«
Nolan schob ihn beiseite. »Die Marineoffiziere tragen rote Mäntel nur als offizielle Ausgehuniform, ansonsten haben sie blaue Jacken an. Und vertrau mir: In einer schwülen Nacht in Nassau werden selbst sie nicht in voller Montur unterwegs sein.«
»Trotzdem bin ich immer noch der Meinung, dass wir alle auf dem Schiff ausschwärmen sollten. Ich hab was dagegen, dass du allein an Bord gehen willst.« Wayland vergrub seine Hände in den Taschen und schaute weg.
Jewel beugte sich erneut hinter dem Mast hervor, um das Geschehen besser beobachten zu können. Offenbar hatte sie sich zu früh umgezogen und dabei einen Teil des Plans verpasst. Wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie denken, dass sich Wayland tatsächlich um Nolans Sicherheit sorgte.
Doch dieser schien wild entschlossen. »Du hast selbst gesagt, dass der Großteil der Crew der
Neptune
an Land sein wird, und die Wachen an Bord werden es wohl kaum wagen, einen Offizier aufzuhalten, wenn sie mich überhaupt zu sehen bekommen.«
Tyrell trat vor. »Ich habe bereits an die Männer die Kleider verteilt, die wir an Land gesichert haben. Wir sind bereit, Captain.«
Seine Augen waren rotgerändert, aber seine Gesichtsfarbe war wieder einigermaßen gesund. Endlich erschien seine mitgenommene Erscheinung in der Piratenverkleidung glaubhaft.
»Gute Arbeit, Mr. Tyrell. Ihr führt die drei Boote mit den Männern also an die Hafenseite, und ich nehme zwei leere Langboote steuerbord. Sorgt dafür, dass zwei Eurer Boote nicht zu sehen sind, aber veranstaltet so viel Lärm wie möglich. Die Engländer sollen sich auf keinen Fall sicher sein können, mit wie vielen Booten Ihr anrückt.«
»Du wirst
Weitere Kostenlose Bücher