Juwel meines Herzens
die beiden Boote nicht alleine steuerbord nehmen. Ich komme mit«, beschloss Wayland.
Nolan drehte sich um und schüttelte den Kopf. »Der rauflustige Streit unter Piraten ist unser Trick, der unbedingt gelingen muss. Ich glaube, Ihr solltet unbedingt Tyrell begleiten und aufmerksam darauf achten, dass jeder seine Rolle überzeugend spielt.«
Als Wayland sein berühmtes zahnloses Grinsen zeigte, fiel Jewel auf, dass die Crew nicht mehr vor ihm zurückwich. »Tyrell lernt schnell. Er braucht mich nicht als Aufpasser, oder, mein Junge?«
Der Leutnant schwieg.
»Du bist derjenige, um den ich mir Sorgen mache, Nolan«, fuhr Wayland fort. »Ich glaube, du hast dich mit der Aktion übernommen. Es passt nicht gerade zu einem verantwortungsvollen Captain, sich freiwillig in solche Gefahr zu begeben. Das solltest du im Hinterkopf behalten.«
Nolan hielt inne und sah Wayland prüfend an. Auch Jewel ließ der untypische Ernst in der Stimme des Piraten aufhorchen. Trotz der warmen Nacht, der Wollweste und dem knielangen Mantel, den sie über ihren Kniehosen trug, lief ihr ein Schauer über den Rücken. Waylands Worte waren wahr, Nolan sollte nicht alleine auf das fremde Schiff gehen. Wie es schien, würde er unbedingt Hilfe benötigen, und sie würde den Teufel tun, hier herumzusitzen und ihm dabei zuzusehen, wie er quasi Selbstmord beging.
Nolan wandte sich an seinen Leutnant. »Mr. Tyrell, denkt Ihr, Ihr habt genug Erfahrung als betrunkener Pirat gesammelt, um die Männer ohne Mr. Wayland anzuführen?«
Tyrell stand gerade und riss sich sichtlich zusammen. »Aye, Captain, ich befürchte, das habe ich.«
Selbst Nolan musste nun über die absurde Situation lächeln. Er wandte sich von der Mannschaft ab, um seine Belustigung zu verbergen, aber von ihrem Versteck aus konnte Jewel sein Grinsen deutlich erkennen. Sofort ertappte sie sich bei dem verbotenen Gedanken, dass es für sie und ihn vielleicht doch noch eine Hoffnung gab.
Er schlenderte zu den Langbooten hinüber, weshalb Jewel sich auf der anderen Seite des Masts verstecken musste, und starrte dann auf die dunkle Bucht. Eine Handvoll Schiffe lag im Hafen verstreut, Steuer- und Backbord wurden von Laternen beleuchtet. Die
Neptune
erstrahlte heller als alle übrigen und ragte doppelt so hoch wie alle anderen aus dem Dunkel hervor. »Wayland, Ihr kommt mit mir«, ordnete er an.
»Aye, Captain.« Der alte Seemann schickte sich an, die Seile zu entwirren, an denen die Boote angebracht waren.
Mit einer Hand auf seiner Schulter hielt Nolan ihn zurück. »Aber bevor wir uns auf den Weg machen, will ich, dass Ihr mir versprecht, mir nicht an Bord zu folgen.«
Nolan hatte Jewel den Rücken zugewandt, aber Waylands Gesicht konnte sie gut erkennen. Das gesunde Auge des Piraten weitete sich überrascht. »Aber daran habe ich im Leben nicht gedacht, Captain!«
»Gut. Die Crew bricht als Erstes auf. Wir folgen, wenn sie unterwegs sind.« Nolan wandte sich an seinen Leutnant. »Und Mr. Tyrell, Ihr seht nach Jewel. Ich will sicher sein, dass sie beschäftigt ist, bevor wir uns zu unserem kleinen Ausflug aufmachen.«
Jewel biss sich auf die Zunge, um einen Fluch zu unterdrücken. Wenn sie sie nicht in der Kajüte fanden, würde Nolan das Deck durchkämmen lassen. Aber wie konnte sie sich nützlich machen, wenn sie in ihr Quartier verbannt war?
Während er einige Seile zusammenrollte, meldete sich Wayland zu Wort: »Hab das Mädchen gerade unten gesehen. Hat sich in der Kajüte eingeschlossen.«
Nolan musterte ihn argwöhnisch. Wayland zuckte unwissend die Schultern. »Ich glaube, sie schmollt wegen irgendwas. Tut sie übrigens schon seit einigen Tagen. Du weißt nicht zufällig etwas darüber, Captain?«
»Tyrell, geht und seht trotzdem nach.« Nolan nahm Wayland die Stricke aus den Händen.
Tyrell war plötzlich blasser als bei seiner Rückkehr auf das Schiff. »Und was soll ich ihr sagen?«
Wayland strich sich über seinen dünnen grauen Bart. »Weißt du denn nicht, dass eine heulende Frau einen Mann wie unseren Leutnant nervös macht?«
Entschlossen schob Tyrell seine Hände in die Hosentaschen. »Ich bin nicht nervös. Ich will sie nur nicht noch weiter aufregen. In letzter Zeit erschien sie mir nicht gerade glücklich.«
Jewel musste Nolans Gesicht gar nicht sehen, um zu erahnen, dass ihm langsam die Geduld ausging. »Also gut, Wayland. Da Ihr ja von uns anscheinend derjenige seid, der am meisten über Frauen weiß, solltet wohl Ihr am besten zu ihr
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