Juwel meines Herzens
Demütigung leid.
Dennoch gewann dieser in schnellster Zeit seine Würde wieder. Er nahm die Hand von seinem verletzten Ohr und stellte sich gerade hin. »Wir haben Männer von der
Neptune
entdeckt. Sie liegt ebenso hier vor Anker. Greeley und ein paar andere sind an Bord unseres Schiffs gekommen und herumgestreunt. Ich vermute, sie haben uns erkannt – zumindest Wayland. Er ist ja kaum zu übersehen.«
Wayland klatschte in die Hände, bevor er sie voller Vorfreude rieb. »Was meinst du, Nolan? Bereit für ein kleines Kämpfchen?«
Nolan schüttelte den Kopf. »Wir haben weder einen Kaperbrief noch eine Chance gegen eine Galeere.«
Wayland trat vor. »Teufel noch mal, im ›Devil’s Bounty‹ habe ich viele meiner alten Kumpel getroffen, die nur allzu gern an unserer Seite kämpfen würden.«
Tyrell rang hinter dem Rücken mit seinen Händen. »Sie haben unsere Männer, Captain. Ihr habt selbst gesagt, dass Krieg bevorsteht. Und sie haben den Hafen von Boston blockiert, so dass wir dort nicht anlegen können. Ich bin nicht der Meinung, dass sie auch noch über unsere Besatzungsmitglieder verfügen sollten.«
Erstaunt zog Nolan die Augenbrauen hoch. »Ihr seid also auch auf einen Kampf aus, Mr. Tyrell?«
»Zuerst war er noch dagegen, aber nach ein paar Runden Kill-devil ist er in Stimmung gekommen.« Wayland griff in seine Jackentasche und zog eine Flasche hervor. »Hier, Captain. Wir haben dir etwas mitgebracht.«
Nolan nahm die Flasche und warf sie über Bord. »Ich werde mich weder mit schlechtem Rum betrinken und dann ein englisches Kriegsschiff angreifen, noch werden wir uns jemals – und damit meine ich nie – mit Piraten verbünden, die ebenso gut unsere Kehlen aufschlitzen und unser Schiff kapern könnten.«
Tyrell starrte mit grimmigem Gesichtsausdruck über das Deck. Er war nicht glücklich, und auch Wayland stemmte die Hände demonstrativ in die Hüften.
»Wenn wir jetzt klein beigeben und uns aus dem Staub machen, können wir uns gleich Röcke anziehen und im ›Devil’s Bounty‹ Bier ausschenken. Teufel noch mal, ich habe schon gemerkt, wie zwei warme Jungs Tyrell beäugt haben. Dass er mit Maria so schnell Freundschaft geschlossen hat, hat ihnen fast das Herz gebrochen.«
Wieder war es an Tyrell zu erröten. Er starrte weiterhin auf seine Füße und schwieg.
»Auch das werden wir nicht tun.« Nolan schien Waylands Kommentar nicht zu ärgern. Der Anflug eines Lächelns umspielte sogar seinen Mund. »Wir werden besonnen vorgehen und uns unsere Männer zurückholen. Tyrell, seid Ihr nüchtern?«
»Nein, Captain.« Seine roten Ohren verfärbten sich zu kränklichem Weiß. »Ich glaube, mir wird schlecht.«
»Das kann ich mir vorstellen. Bringt hinter Euch, was Ihr hinter Euch bringen müsst, und dann kommt zu mir in die Steuerkajüte. Irgendwo muss ich noch den Plan des Aufbaus einer englischen Kriegsgaleere haben. Wayland, folgt mir. Wir haben eine Mission zu planen.«
Nolan machte auf dem Absatz kehrt, ging Richtung Unterdeck, und Wayland folgte ihm vor Aufregung fast hüpfend nach.
Derweil stolperte Tyrell an die Reling des Schiffs. Als Jewel hörte, wie er von Würgekrämpfen geschüttelt wurde, stahl sie sich leise davon. Normalerweise hätte sie sich natürlich um ihn gekümmert, aber jetzt hatte sie Wichtigeres zu tun. Das war ihre Chance, endlich bei einem Abenteuer dabei zu sein!
Nolan verschwendete keine Zeit. Jewel drückte sich in seiner Nähe herum – niemand schien sie zu beachten – und konnte so seinen Plan belauschen. Das Wichtigste würde der Überraschungsmoment sein.
Sie verschwand in ihre Kajüte, um ihre Waffen zusammenzusammeln und in ihre Männerkleider zu schlüpfen. Wenn Nolan eine Überraschung haben wollte, dann sollte er sie bekommen. Jewel hatte nicht vor, in ihrer Kajüte zu bleiben und die schutzbedürftige Jungfrau zu spielen. Sie würde ihnen helfen. Immerhin hatte ihr Harvey beigebracht, wie man mit einem Schwert umging, und sie wollte sich unbedingt als nützlich erweisen. Schließlich war sie es, die darauf bestanden hatte, mitzukommen. Jetzt würde sie ihnen zeigen, warum.
Sie musste an Nolans Gesichtsausdruck denken, als er mit seinen Männern gesprochen hatte. Mit jedem Wort war das Leuchten, das aus seinem Innersten zu kommen schien, noch heller geworden. Jewel hatte ihn noch nie so leidenschaftlich gesehen. Seine Crew hing an seinen Lippen, die wenigen Lampen, die an der Takelage baumelten, waren gelöscht worden, dennoch war die
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