K
Serge. »Transmissionen wandern. Sie ziehen woandershin, und dann sind sie nicht mehr hier.«
»Ach, mein Kind, du bist nicht mehr auf dem neusten Stand.« Sein Blick wandert von der Skala zu Serge, er mustert ihn bedauernsvoll, hebt dann die linke Hand schräg an und lässt sie wieder sinken, schneidet diagonale Gipfel und Rinnen in die Luft. »Stell dir einen auf einer Kuppel hin und her hüpfenden Ball vor, der dabei kaum an Energie verliert – einen Ball, der zugleich im Innern einer Kugel herumhüpft und von der Oberfläche kleiner, solider Kugeln im Innern der größeren Kugel abprallt …«
Serge wandert in Gedanken zurück zum Tennisplatz in Berchtesgaden. Er versucht, den flachen Asphalt zu einer geteerten Kugel zusammenzurollen, die umliegende Landschaft in einen größeren, umgebenden Hohlring zu biegen
und einen winzigen gelben Ball zwischen den beiden Gebilden hin und her hüpfen zu lassen, merkt aber, wie sich der mentale Raum, durch den sich der kleinere Körper bewegen sollte, mit knisterndem Ginster und Heidekraut füllt.
Sein Vater erklärt: »Wellen ziehen um den Globus, prallen ab in die Ionosphäre. Was durchkommt«, statt sich nach unten abzuwinkeln, steigt seine linke Hand weiter auf, bis sein Arm voll ausgestreckt ist, »zieht weiter, bis es auf ein Objekt im All trifft und«, seine Hand senkt sich, »davon abprallt. Irgendwann prallen alle Strahlen irgendwo ab oder kehren im Bogen zurück: Alles kommt wieder.« Während er fortfährt, deutet seine Hand eine Schleife an: »Wenn nun – nein, falls – die sich von unseren Organismen produzierten elektrischen Ladungen auf gleiche Weise verhalten …«
»Dann können sie später gemessen werden?«, vervollständig Serge den Satz als Frage.
»Warum nicht?«, antwortet sein Vater. »Im Prinzip sollte das nicht so schwer sein. Ist ein Messinstrument in einem Augenblick großer geistiger Anspannung vorhanden – und in ebendem Moment, wenn laut Zyklus die von besagtem Ereignis erzeugte elektrische Störung wieder an diese Stelle zurückkehrt, sollte sich die ganze Szene erneut abspielen lassen, wenn auch verzerrt …«
Die Handschleifen verlangsamen sich, hören auf, und die beiden Männer stehen eine Weile schweigend da, allein das regelmäßige Platschen und Scheuern von Bodners Malerpinsel unterstreicht ihre Gedanken.
Dann sagt Serge: »Wenn deine Theorie stimmt, gibt es keinen Grund, warum eine Stelle besser als eine andere geeignet sein sollte.«
»Und warum nicht?«, fragt sein Vater.
»Weil der Ball in dem Raum zwischen Kuppel und Kugel hin und her hüpft und auf jede beliebige Stelle mit gleicher
Kraft aufschlägt. Das Ereignis könnte sich also überall wieder abspielen.«
»Hab nie behauptet, dass schon alles ganz durchdacht ist«, knurrt sein Vater. »Ist ein neues Forschungsgebiet. Topaktuell. Korrespondiere deswegen wöchentlich mit von Pohl. Er ist wie ich der Ansicht, dass diese Zyklen der Wiederkehr schuld am mangelhaften Keimverhalten in manchen Gegenden sind. Hat bereits ausgedehnte Nachforschungen zu diesem Thema angestellt. Ich habe ihn meinerseits darauf hingewiesen, dass die seltsame Dreiergruppe von Stakkatosignalen, die man mit dem Empfänger in der Interferenz gewöhnlich hört, nichts anderes ist als das Echo von Marconis allerersten drei ›S‹-Signalen, die …«
»Stimmt«, unterbricht ihn Serge. »Man hört oft drei Pieptöne im Hintergrund. Aber das heißt doch nicht …«
»… am zwölften Dezember 1901 ausgesandt wurden«, beendet sein Vater den Satz und fügt noch hinzu: »Habe ich recht, wären die Auswirkungen enorm.«
Noch während er redet, entfernt er sich von den Maulbeerbäumen. Serge folgt ihm über den Rasen und durch das Tor in den Krypta-Park. Während sie durch das hohe Gras laufen, hält sein Vater das Amperemeter noch immer vor sich ausgestreckt.
»Stell dir das vor«, vertraut er sich Serge an und senkt dabei die Stimme, als würden sie belauscht, »stell dir das doch mal vor: Wenn alle aufwühlenden oder schmerzlichen Ereignisse der Geschichte ähnlich messbare Wellen in den Äther geschickt haben – Mensch, dann könnten wir die Schlacht von Hastings empfangen, die Not des niedergestochenen Cäsars miterleben oder die Pein des heiligen Antonius während seiner großen Versuchung. All das könnte immer noch geschehen, in diesem Augenblick, um uns herum.«
Er schweigt und blickt auf das Amperemeter, ehe er die Stimme noch weiter senkt und ihm zuflüstert: »Wir könnten
Worte
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