Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
K

K

Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
Vom Netzwerk:
-Leser. »Ich bin mir nicht sicher, ob auch nur einer von denen irgendwas ›verkraften‹ kann, wie Sie es nennen. Nein, wir können von Glück reden, wenn es nicht zu einem Ansturm auf die Banken kommt.«
    »Ich denke nicht…«, beginnt Pollard, doch unterbricht ihn der Mann, der sich für sein Thema zu erwärmen beginnt: »Dabei ist das unsere geringste Sorge: Hier steht, es gehe die Rede von einem vollständigen Rückzug.«
    »Ich kann Ihnen versichern, dass diese Möglichkeit nicht…«, versucht Pollard ihm zu sagen.

    Doch der Mann fährt fort: »Offenbar wollen uns sogar die Kopten nicht länger hier haben. Aber welche Hoffnung bleibt uns, wenn uns selbst die christlichen Glaubensbrüder nicht mehr beistehen? Obendrein werden von allen Seiten Attentate auf uns verübt.«
    »Das ist doch wohl ein bisschen übertrieben…«, wirft Pollard beschwichtigend ein.
    Der Mann wedelt mit der Gazette vor seiner Nase herum. »Seite sieben: ›Italienischer Anwalt in Labban erschossen‹. Seite acht: ›E. Brown, Ministerium für Unterrichtswesen, in Abdine erschossen‹. Weiter unten auf derselben Seite: ›F. Bloch, von der ägyptischen Eisenbahngesellschaft, Opfer einer Bluttat in Bulaq!‹«
    »Klingt doch nett, diese Alliteration«, sagt Serge.
    »Und zugleich«, fährt der Zeitungsleser fort, »kann man uns nicht einmal unsere Pensionen garantieren.«
    »Das stimmt so nicht«, widerspricht ihm Pollard. »Es heißt, Beamte im Pensionsalter dürfen adhoc …«
    »Mag sein«, meldet sich der andere wieder zu Wort, »aber nur, wenn wir beweisen können, dass wir unter ›inakzeptablen Bedingungen‹ arbeiten. Was aber ist inakzeptabel? Wird auf einen geschossen, ist das inakzeptabel, wenn es passiert, aber dann ist es zu spät.«
    »In welchem Ministerium sind Sie?«, fragt Pollard.
    »Finanzen«, erwidert der Mann verärgert. »Ich soll helfen, diese große Ungerechtigkeit auch noch zu rechtfertigen. Am schlimmsten ist, dass man mich zwingt, meine Zuständigkeiten an irgend so einen unterqualifizierten, grinsenden Einheimischen abzutreten. ›Abwicklung‹ nennt man das; ich finde, wir radieren uns selbst aus.«
    Er macht eine reibende Bewegung mit der Hand. Serge, dessen magnetische Gedankenpole von Stedmans Anwesenheit beeinflusst werden, denkt an Walpond-Skinners Kladde,
dann an Wollknäuel, danach an Widsun, dessen »Appendix« er noch schreiben muss …
    In der Stadt wimmelt es nicht nur von britischen Beamten und deren Angestellten, von Arbeitern aus ganz Europa, von Abenteurern, Gaunern und Prostituierten aus sämtlichen Erdteilen, sondern auch von Touristen. Das politische Beben um sie herum scheint sie kaum zu kümmern, da sie ihre eigenen Sorgen haben. Serge verbringt einen Abend mit einer solchen Urlauberin, mit Abigail, die er wie irgendein Filou im Continental aufgabelt, um sie dann, sobald sie ihren Eltern, einem Bankier aus Chelsea und einer Sekretärin des Vereins für Rasentennis, entwischen können, in ein Café mitzunehmen, dann in noch eines und noch eines, wobei die Etablissements an Respektabilität verlieren, je weiter der Abend voranschreitet, bis sie schließlich in der Gesellschaft von Pferdewettern landen, deren Buchmachern, sich eine kleine Pause gönnenden Kurtisanen oder Schlimmerem. Die Gespräche um sie herum drehen sich um Anteile an High Nile, Boxwetten oder besorgte Spekulationen darüber, was passieren wird, wenn die Exterritorialitätsverträge für ungültig erklärt und ausländische Missetäter von einheimischen statt von Konsulargerichten abgeurteilt werden, ehe man sie ohne Ansehen von Herkunft und Rasse in Manshiyya einsperrt. Abigail ist unempfänglich für all diese Themen, die Serge aus den Gesprächen heraushört, muss von der Melkonian husten, die er ihr angeboten hat, wedelt den Rauch beiseite und klagt: »In der Broschüre steht, wir würden die Pyramiden ›entdecken‹, dabei sind die längst entdeckt. Die Ägyptologie ist hundert Jahre alt. Haben Sie das gewusst?«
    »Ich denke…«, beginnt Serge.
    Aber sie fährt fort: »Vor unserer Abreise habe ich das in der Times gelesen: So ein alter Franzose namens Champignon hat die alte Steintafel vor genau hundert Jahren entdeckt.«

    »Ein zweites Babel auf gut über einem Meter…«, fängt Serge an, aber sie unterbricht ihn erneut.
    »Ich meine, mein Großvater erinnert sich daran, als Kind im Crystal Palace den ägyptischen Hof gesehen zu haben. Und im selben Artikel habe ich gelesen – oder war es nicht derselbe? Ist

Weitere Kostenlose Bücher