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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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weichen dann den heftigeren Eruptionen, mit denen die Luft aus dem Schiffsinnern an die Oberfläche steigt.
    »Die Ratten verlassen das sinkende Schiff: ein schlechtes Omen«, sagt eine Unheil verkündende Stimme in Serges Rücken. Als er sich umdreht, sieht er vor sich einen Mann Mitte dreißig in Knickerbockern und mit gelb karierter Weste. »Sind Sie Macauleys Scout?«, fragt der Mann.
    Serge nickt ein wenig verzagt. »Und Sie?«
    »Bin vom Antiquitätendienst. Alby mein Name! Wie es aussieht, sind wir Schiffskameraden auf dieser netten Tour.«
    Während sich Serge und Alby die Hände schütteln, bricht am Lagerhaus hinter ihnen ein Streit aus. Diesmal wird nicht Englisch gesprochen: Einer der Männer ist Ägypter, und der
andere, ein Mann in langer, schwarzer Jacke mit passender Fliege, ist offenkundig in ebenjenem Land daheim, in dessen Sprache der Streit ausgetragen wird.
    »C’est marqué dans le manifeste!«, versucht der Fliegenmann den ein Klemmbrett haltenden Ägypter immer wieder zu überzeugen.
    »Pas marqué dans mon manifeste, Effendi«, beharrt der Ägypter und tippt auf sein Brett. »On nous en a donné des nouveaux hier.«
    »A mon insu!«, ruft der Franzose und kehrt die Handinnenflächen nach oben.
    »Désolé: je ne peux pas les embarquer«, erwidert der Ägypter kopfschüttelnd.
    »Ce sont mes outils!«, zischt der Franzose und gestikuliert dabei mit den Händen auf eine Art, die Serge an Monsieur Bulteaus Schießpulvervorführung in Klodĕbrady erinnert.
    Als sein Blick über den Kai wandert, entdeckt er den Streitgegenstand – die Gegenstände vielmehr, da eine Reihe weiterer, kleinerer Kisten aus einem Taxi ausgeladen wurden und nun aufgestapelt neben Falkiners Messinstrumenten stehen.
    »Pacorie«, murmelt Alby zu Serge. »Weiß der Himmel, was er alles dabeihat.«
    »Keine Magnete, will ich hoffen!«, blafft Falkiner, während er hinübergeht, um die konkurrierenden Kisten in Augenschein zu nehmen.
    »Die sind doch nur minuscule «, jammert Pacorie und wirft ihm einen gekränkten Blick zu.
    »Magnete sind eine Katastrophe für meine Kompasse«, faucht Falkiner ihn an.
    »Also: Dann lass ich die Magnete hier, und Sie sagen diesem Clown, er soll die übrigen boîtes an Bord bringen lassen. O.K.?«

    Die Verhandlungen ziehen sich noch fast eine Stunde hin. Serge stellt sich der jungen Frau vor. Sie heißt Laura und dürfte dreiundzwanzig oder vierundzwanzig sein, etwa so alt wie er. Seit sechs Monaten arbeitet sie für Falkiner, erzählt sie, in London, aber auch hier draußen »im Feld«.
    »Im Feld?«, fragt Serge.
    »In der Wüste, dem Delta, am Nilufer, wie auch immer«, korrigiert sie sich. »Hier in dieser Gegend.«
    »Ihr seid unterwegs zu irgendeinem Grab, nicht wahr?«, fragt Serge.
    »Nicht nur einem«, erwidert sie und reibt sich beim Sprechen mit der Hand über die Stirn. »Sedment ist eine gewaltige Grabanlage mit Tausenden von Gräbern, eines über dem anderen. Professor Falkiner hat als einer der Ersten hier Ausgrabungen gemacht. Ich habe mich während des Studiums mit seiner Arbeit befasst.«
    »Und warum kommt er dann zurück?«
    »Die Schichten sind…«
    Sie kann den Satz nicht beenden: Alby schlendert auf sie zu und fragt Serge, ob er Picaridine mitgebracht habe.
    »Nein, der ist allein gekommen, ein Chemiker, glaub ich.«
    »Nein, Picaridine , ein Mittel gegen Insekten. Davon werden Sie jede Menge brauchen.«
    »Sind das da denn keine Moskitonetze?«, fragt Serge und zeigt auf einen Stapel feinmaschigen Gewebes, das am Kai neben einer Ansammlung von Matratzen, Teppichen, Decken, Laken, Handtüchern und Kissen auf dem Boden liegt.
    »Netze können nicht alles abhalten«, spöttelt Alby im selben Unheil verkündenden Ton, den er schon vorher angeschlagen hatte.
    »Seht doch: Das Schiff kommt wieder hoch«, ruft Laura.
    Erneut drehen die Männer sich um und sehen nun den weißen Rumpf wie eine Aphrodite aus Holz und Metall durch
die Wasseroberfläche brechen. Schlammiges Wasser schießt aus jeder Öffnung.
    »Wird es nicht eine ganze Weile dauern, bis das Schiff wieder trocken ist?«, fragt Serge.
    »Wir fahren ja auch erst morgen ab«, antwortet Alby.
    »Heute, dachte ich.«
    »Heute wird geladen. Wo sind Ihre Sachen?«
    »Mehr habe ich nicht«, sagt Serge und zeigt auf den kleinen Koffer zu seinen Füßen.
    »Dann können Sie ebenso gut heimgehen; noch einmal auf festem Grund und Boden schlafen.«
    Serge tut wie geheißen. Kaum ist er wieder in der Wohnung, blättert er

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