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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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mit ihren Schätzen bliebe unentdeckt.«
    Sie schaut zu Falkiner hinüber, als erwarte sie ein Zeichen der Zustimmung für ihre Ausführungen, das er weder gibt noch verweigert, doch fährt er fort: »Zieht Touristen an wie ein Scheißhaufen die Fliegen.« Mit erhobener Faust droht er den sonnenbeschirmten, Safarihut tragenden Passagieren, die, am Geländer des Dampfers stehend, zu ihnen herübersehen,
und ruft: »Brummt, ihr Fliegen, brummt!« Die Leute halten seine Feindseligkeit für Freundlichkeit und winken begeistert zurück.
    Mit seinem Schnauzbart sieht Falkiner wie ein alter Seebär aus. Sextant und Kompass in der Hand vervollständigen den Eindruck. Zwischen hektischen Momenten, in denen er damit die Position des Schiffes bestimmt – vielleicht aber auch vice versa, da dies unter den gegebenen Umständen ziemlich sinnlos ist –, zieht er immer wieder über das Konzessionssystem her: »Schwieriger ranzukommen als an eine Taxilizenz in London! Die meisten Archäologen sterben lieber, als ihre Konzession aufzugeben – und sterben sie, wird sie gleich von der Egypt Exploration Society aufgeschnappt, vom Philadelphia Museum oder dem Institut Français. Ihr Leute habt wirklich allerhand auf dem Kerbholz!«
    Er zeigt mit anklagendem Finger in Richtung Bug, doch schwankt das Schiff derart, dass sein Finger mal auf Pacorie, mal auf Alby zeigt.
    »Welche Leute?«, fragt Pacorie. »Meine? Oder seine?«
    »Beide!«, bellt Falkiner. »Seit Lacau das Antiquitätendepartment leitet, werden nur noch Franzosen bevorzugt.«
    »Stimmt ja gar nicht«, widerspricht Alby. »Sehen Sie sich doch nur an, wer gerade Ausgrabungen macht: Winlock in El-Kurneh, Fischer in Asasif; und oben in Theben sind Carter und Carnavon – Engländer so gut wie Sie oder ich, das muss man doch mal festhalten.«
    »Wo sie nicht einen einzigen Skarabäus finden werden«, spottet Falkiner. »Und selbst wenn, hat Ihr Mann die Rechte an allem, was wir je zutage fördern!«
    » So einfach ist es nicht, und das wissen Sie auch«, erwidert Alby. »Der Konzessionshalter muss den Oberinspektor über alle Funde informieren, und der Antiquitätendienst hat die Oberhoheit über sämtliche Ausgrabungen, während …«

    »Die Oberhoheit? Die konfiszieren einfach alles und übergeben es ans Museum in Kairo, das dann entscheidet, welche kümmerlichen Reste für die nationalen Sammlungen im Land des Finders abfallen.«
    »Ist das denn nicht fair?«, fragt Alby.
    »Nein, verdammt! Heimstatt der Ägyptologie ist London – und Berlin. Was hat Kairo damit zu schaffen?«
    »Könnte man nicht sagen…«, beginnt Alby, doch Falkiner brüllt ihn nieder: »Abwiegler! Wendehälse! Feiglinge!«
    Bei Serge schlägt Falkiner einen sanfteren Ton an – was nicht heißen soll, dass er sich auch nur die Mühe machte, seinen Namen zu lernen. Wenn er ihn anspricht, nennt er ihn nach den altägyptischen, mastenähnlichen Turmbauten nur »Pylonenmann«.
    » Sie sind eigentlich Ingenieur, Pylonenmann?«
    »Nein, bin ich nicht«, antwortet Serge. »Ich habe Architektur studiert.«
    »An der AA?«, fragt Falkiner.
    Serge nickt; das vom Wasser reflektierte Licht lässt ihn die Augen zusammenkneifen.
    »Gibt es den alten Theo Lyle noch?«
    »Ich war jeden Morgen in seiner Vorlesung – na ja, fast jeden Morgen.«
    »Der Theo! Wir haben zusammen in Cambridge studiert. Hat er es immer noch so mit seinen Metopen?«
    »Mit Metopen und Triglyphen, aber ja!« Serge versucht, sich an den anderen Fachbegriff zu erinnern, den Lyle bei seinen Vorlesungen stets im Mund führte, verliert aber den Faden im Gewirr halb erinnerter Gespräche in Mrs Fox’ Café, den Namen von West-End-Musicals, den Zugangskodes beim Drogenkauf …
    »Und wie sind Sie zur Archäologie gekommen?«, fragt er Falkiner nach einer Pause.

    »Bin in Greenwich aufgewachsen und mit dem Dreirad ständig über den Nullmeridian beim Königlichen Observatorium gefahren. Schätze, hab so ein Gespür für Maße und Zeit entwickelt. Und als Teenager habe ich mich dann in Kent herumgetrieben und nach römischen Villen, Tempeln, Bädern und dergleichen gesucht – ohne zu ahnen, dass es nur zweihundert Schritt vom Observatorium entfernt römische Überreste gibt.«
    »Ach ja«, sagt Serge. »Da sollte ich mal mit meinen Kommilitonen hin. Waren Sie bei den Ausgrabungen dabei?«
    »Man wollte meinen Rat«, antwortet Falkiner, »aber mir haben deren Methoden nicht gepasst. War eher Vandalismus als archäologische Ausgrabung: Münzen,

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