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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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meist gemustert oder beschriftet?«
    »Die Unterseite ist beschriftet, zum Drucken«, antwortet sie noch langsamer als zuvor, als liefe auch ihr Apparat nun allmählich leer. »Die Oberseite repräsentiert Khepera, den Gott der aufgehenden Sonne und der Materie – der Materie, die im Begriff ist, vom Unbelebten ins Lebendige zu wechseln. Sein Emblem ist der Käfer.«
    »›Heil Dir, Khepera, in Deinem Boot‹«, nuschelt der schon betrunkene Falkiner, »›die dreifaltige Gesellschaft der Götter ist Dein Leib …‹«

    »Khepera war Teil der solaren Dreieinigkeit Khepri-Ra-Atum«, setzt Laura noch mit letzter Kraft hinzu. »Er war auch Schreiber. Und Richter. Seine Attribute sind wichtig in der ägyptischen Kosmogonie. Deshalb sind die Skarabäen so weit verbreitet …«
    »Geheimschrift«, verkündet Falkiner. »Isis und Horus, das Ministerium… Ministerium der… ›das schimmert … erweiset Tribut … ich bin … ich bin all das, was ist, war und sein wird, und kein Sterblicher hat je meinen Schleier gelüftet… so spricht Isis …‹«
    Wie ein weit entfernter, von der Pest geplagter Muezzin fährt er fort, halb erinnerte Schriftfetzen vor sich hin zu nuscheln. Als er keine Bruchstücke mehr zu zitieren weiß, wiederholt er bloß noch das Wort »Isis«, sagt es immer und immer wieder, von Mal zu Mal langsamer, ehe auch seine Stimme zerkrümelt, verrinnt und verstummt.
    II
    Am nächsten Morgen erreichen sie Sedment, eine exponierte, windumtoste Wüstenhochebene. Wie in Abu Zabal bilden aus den umliegenden Dörfern angeworbene Quftis eine Handlangerkette vom Hauptplatz zu einer Schmalspurbahn – nur scheint diesmal nichts angeliefert, sondern etwas fortgetragen zu werden. Überall sind Löcher, trichterförmige Gruben auf Schritt und Tritt, manche sauber ausgeräumt und mit einem Seil abgesichert, andere dagegen bieten einen so unordentlichen Anblick wie Minenschächte oder natürliche Krater. Am Grunde einiger dieser Vertiefungen kann Serge meist aufgebrochene Luken erkennen, die einen Blick auf Gruben unter den Gruben freigeben, in denen wiederum aufgebrochene Luken zu erkennen sind, die ihrerseits zu noch tieferen Schächten führen.
    »Die oberen sind meist Mastabas«, erklärt Laura, während sie an einer Grube nach der anderen vorbeigehen.
    »Mastur- was ?«, fragt Serge.
    »Mastabas: Grabstellen der frühen dynastischen Zeit in den flacheren Lagen. Meist hatten sie einen rechteckigen Überbau aus Ziegelsteinen mit etwa vier, fünf ausgehobenen Kammern. Darunter liegen die jüngeren Gräber.«
    » Darunter ?«
    »Ja, spätere Dynastien haben ihre Toten darunter begraben, und noch spätere legten ihre Grabstätten daneben an, dazwischen, drum herum, gar über diese früheren-späteren Gräber hinweg, und das immer so weiter. Dieser Ort ist ein riesiges Labyrinth.«
    »Sieht mir eher wie ein riesiger Abfallhaufen aus«, sagt Serge und zeigt auf die überall sich auftürmenden Schutthaufen. Darin stecken Tonscherben neben losen Blättern, von denen er im Vorbeigehen nicht erkennen kann, ob es Papyri oder alte Zeitungen sind, außerdem kurze Stücke, die wie Kupferdraht aussehen. Käfer huschen über diese Aufwerfungen hinweg wie Bergsteiger, die nach den besten Einstiegen und Kletterrouten suchen. Laura bringt ihn zu Falkiners Hauptquartier: eine Rinne oder ein Graben, der sich wie ein klaffender Schnitt quer durch die Ebene zieht; Zeltpfosten tragen eine Leinwandplane, die einen eher konventionellen, haustürähnlichen Grabeingang um eine Art überdachter Terrasse erweitert.
    »Wir müssen diese Klauerei in den Griff kriegen«, sind Falkiners erste Worte an Laura. »Die nimmt einfach überhand: Werkzeug, Lebensmittel, alles verschwindet. Die Quftis sagen, die Sebhabhîn und Araber seien schuld, aber ihrem Wort kann man auch nicht trauen. Wir sollten den Leuten klarmachen, dass wir ihnen die Kosten von allem, was in ihrer Schicht verloren geht, vom Lohn abziehen.«

    »Wo soll ich meine Sachen ablegen?«, fragt Laura.
    »Im Grab hinter mir«, sagt er. »Zweite Kammer.«
    Sie geht an ihm vorbei; Serge will ihr folgen.
    »He, Moment mal! Was glauben Sie, wohin Sie gehen, Pylonenmann?«, bellt Falkiner ihn an.
    »Ich dachte …«, murmelt Serge.
    »Nun, tun Sie’s nicht«, knurrt der Archäologe. »Ihr Zelt steht in Sektor K.«
    Sein Daumen zeigt nach links. Über den unebenen Grund macht Serge sich in die angedeutete Richtung auf den Weg und findet schließlich sein Zelt, das man ihm in einem

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