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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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ungesicherten, unbeachteten Krater aufgeschlagen hat. Die Grube ist so flach, dass der über die Hochebene brausende Wind hereinwirbelt und Hände voll Sand gegen die Leinwand wirft, als täte er es mit Absicht, wenn nicht gar böswillig. Serge setzt sich ins Zelt und überlegt, was zu tun ist. Auspacken? Es gibt im Zelt weder Regale noch Schränke, nichts außer einer dünnen, dreckigen Matratze. Den Bericht schreiben? Er holt das Notizbuch heraus und liest die zwei bislang hingekritzelten Worte: Méfie-toi . Viel anfangen lässt sich damit nicht. Er steckt es zurück in die Brusttasche, geht aus dem Zelt und wandert eine Weile auf dem Gelände umher, schlendert schließlich auf eine Anhöhe und schaut über das Gräberfeld. Von oben kommt ihm die Qufti-Kette wie ein langes Band vor, wie der flatternde Schweif eines Drachens, dessen Tragekonstruktion von Pfosten und Schnüren angedeutet wird, die man in sich kreuzenden Dreiecken auf dem Boden ausgelegt hat, wobei die Dreiecke sich überlappen und jedem Hügel und Krater einen eigenen Sektor oder Untersektor zuweisen. Falkiner dirigiert das Abstecken der Fundstellen und steht da mit seinen Instrumenten, die er von der Ani herbringen und unverzüglich auspacken ließ. Durch Höhe und Entfernung wirkt er wie geschrumpft. Selbst seine Stimme klingt leiser. An den
Bewegungen der Arme und Schultern erkennt Serge, dass er den umherschwirrenden, Pfosten versetzenden und Schnüre ziehenden Männern Befehle zubrüllt, die aber vom Wind gleich wieder verschluckt werden. Wenn Falkiner die Aufsicht führt, was soll er dann hier?, fragt sich Serge. Die Über -Aufsicht führen, wie Petrou es nach Alexanders Über -Hellenismus wohl nennen würde? »Flach, eben, keinerlei Hindernisse«, hatte Macauley gesagt. Serge mustert das Gelände: Nach Norden wird es flacher, nach Süden geht es in Anhöhen, Hügelrücken, Plateaus über. Zahllose Stellen würden sich für eine Station eignen. Wieder holt er sein Notizbuch hervor und schreibt unter die beiden ersten, mit Bindestrich verbundenen Worte: »Binda«.
    Am Abend wird ihm ein Teller Eintopf ins Zelt gebracht. Nach dem Essen überlegt er, wo wohl die Latrinen sind. Als er sich auf die Suche macht, begegnet er Alby.
    » Sie sind in Sektor K?«, fragt der Antiquitätenmann. »Ich bin in F. Windig, nicht?«
    »Wissen Sie, wo die Toiletten sind?«
    »Nehmen Sie einen Topf«, erwidert Alby achselzuckend. »Davon gibt’s hier überall.«
    Am nächsten Vormittag spaziert Serge wieder ein wenig umher. Er schlendert zur Anlegestelle. Sie sieht stabil genug aus, um hier die Bauteile eines Funkmastes entladen zu können. Sollte er das aufschreiben? Er wird es schon nicht vergessen. Wieder kehrt er auf das Gelände zurück und folgt den ausgetretenen Pfaden zwischen den Gruben, den von Schnüren vorgegebenen Wegen. Er hat kein Ziel, muss nur noch einen Tag herumbringen, ehe die Ani zurück nach Kairo fährt. Manchmal teilt sich der Pfad, endet einfach oder führt im Kreis auf sich selbst zurück; manchmal leiten ihn die Schnüre zu einer Wegkreuzung, die er schon vor zehn Minuten oder einer halben Stunde passiert hat, aber das kümmert ihn nicht:
Es hilft, die Zeit zu vertreiben. Gegen Mittag sieht er sich dann in die lange Kluft hinabsteigen, in der Falkiners Zelte stehen. Er selbst ist nicht da; ungehindert geht Serge über die Zeltterrasse in die eigentliche Grabkammer, die in ein Wohnzimmer verwandelt wurde: ein Tisch, ein Sofa und ein Liegestuhl, auf dem Boden ein Teppich, dessen Muster sich mit den Wandverzierungen seltsam beißt.
    »Haben Sie doch noch hergefunden?« Laura taucht aus einem Korridor auf, der weiter ins Innere führt. Seit sie sich kennen, lächelt sie zum allerersten Mal, und dies auf eine Weise, die Serge verlegen macht, fast als hätte sie ihn bei etwas ertappt, nur weiß er nicht, bei was. Er gibt sich Mühe, ihr Lächeln zu erwidern.
    »Kommen Sie herein«, sagt sie und reibt sich wieder die Stirn.
    Ihre Kammer wird als eine Art Lagerraum für zahllose nummerierte Objekte genutzt – einige liegen in Kisten verpackt, so als seien sie zum Versand bereit, andere warten noch darauf, dass man sich um sie kümmert. Manche, zwei innen wie außen mit Inschriften bedeckte Holzsärge, sind so groß, dass sie je eine eigene Palette belegen; doch gibt es auch ziemlich kleine Gegenstände, etwa ein Sammelsurium von Stirnbändern, Halsketten und Armreifen, denen man sich anscheinend aber genauso akribisch widmet. Diese gewissenhafte

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