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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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bitte!«, sagt Maureen.
    »Sie hat schon Schlimmeres gehört«, blafft er zurück. »›Verbangte‹? Ich habe… Diese verfluchte Taste!«
    »Grundgütiger!«, sagt Maureen, dreht sich zum Kind um und nimmt ihm das Tuch ab. Eine zweite Frau taucht im Flur auf und steuert, ein Tablett mit Keksen in den Händen und eine Katze im Schlepptau, auf die Obstwiese zu. »Geh mit Miss Hubbard«, sagt Maureen der Kleinen.
    »… B … L …«, brummelt der Mann, dann blafft er wieder: »Provenienz?«
    »Wir waren uns hinsichtlich der Herkunft des Telegramms etwas unsicher«, erklärt Learmont. »Es kommt jedenfalls nicht von der Post an der Straße in Lydium, scheint aber über dieselbe Leitung geschickt worden zu sein, die …«
    »Miss Hubbard«, sagt der Mann, »warten Sie.«
    Die zweite Frau bleibt stehen. »Ja, Mr Karrefax?«
    »Ich kann die Kinder nicht reden hören, Miss Hubbard.«
    »Sie spielen, Mr Karrefax.«
    »Sind Sie sicher, dass sie sich nicht in Zeichensprache unterhalten?«
    »Ich habe ihnen gesagt, dass sie das nicht dürfen. Ich…«
    »Was? Ihnen gesagt? Das reicht nicht! Sie müssen sie zum Reden bringen. Immerzu!«

    Das Mädchen streckt eine Hand nach dem Tablett aus. Still und gespannt verfolgt die Katze die Bemühungen des Kindes. Maureen fasst Learmont am Ärmel und zieht ihn ins Haus.
    »Die Provenienz, mein guter Mann, hat gleich hier ihren Ursprung!«, posaunt Mr Karrefax, als der Arzt sich an ihm vorbeizwängt. »Ungeachtet der B und L! Enttäuschend, gewiss. Reparierbar. Das Kupfer! In der Auffahrt, sagten Sie?«
    »Es wartet da ein Mann in einem…«
    »Ausgezeichnet! Wenn ich sie nicht höre, Miss Hubbard, dann, fürchte ich, benutzen sie Zeichensprache.«
    »Ich werde tun, was ich kann, Mr Karrefax«, sagt ihm Miss Hubbard.
    »Immerzu!«, bellt er ihr hinterher. »Ich will sie immerzu reden hören!«
    Er begleitet sie mit großen Schritten in Richtung Auffahrt. Das Kind folgt den Keksen, die Katze dem Kind. Maureen führt Dr. Learmont in die entgegengesetzte Richtung zur Treppe, über der ein aus Seide gewebter Wandteppich hängt, der denselben Treppenaufgang zeigt oder doch einen, der sehr ähnlich aussieht. Oben überqueren sie den Treppenabsatz und betreten ein Zimmer. Dort hängt ein zweiter Seidengobelin, diesmal eine orientalische Szene, in der Bauern mit Pferdeschwanzfrisur in Bäume mit den gleichen weißen Früchten hinauflangen, wie sie auf der Obstwiese wachsen. Im Schatten der Bäume, am Teppichrand, entwirren Bäuerinnen dunkle Knäuel. Unter dem Gobelin, im Zimmer selbst, liegt eine Frau in Rückenlage auf dem Bett. Ein straff gespanntes Laken presst sie auf die Matratze, doch klammert sich die Frau nicht daran fest. Vielmehr liegt sie friedlich da, auch wenn ihr dichtes, braunes Haar schweißnass ist. Ein zweites Dienstmädchen sitzt neben ihr auf einem Stuhl und hält ihre Hand. Die Frau im Bett lächelt Learmont unsicher an.
    »Mrs Karrefax?«, fragt er.

    Sie nickt. Dr. Learmont setzt den Behälter ab, legt den Koffer aufs Bett, öffnet ihn und fragt: »In welchen Abständen kommen die Wehen?«
    »Drei Minuten«, antwortet sie mit einer sanften, leicht belegten Stimme, an der etwas ungewöhnlich ist, etwas, das über Müdigkeit hinausgeht und das Learmont nicht recht einzuordnen weiß: kein ausländischer Akzent, aber richtig einheimisch klingt sie auch nicht. Er misst den Blutdruck. Kaum öffnet er die Manschette, kommt eine weitere Wehe. Die Frau verzieht das Gesicht, macht den Mund auf, doch entweicht ihm kein Schrei, kein Stöhnen, nur ein leises, kaum wahrnehmbares Grollen. Die Wehe dauert zehn, fünfzehn Sekunden.
    »Tut es sehr weh?«, fragt Learmont, sobald es vorbei ist.
    »Als ob ich vergiftet worden wäre«, antwortet sie, wendet den Kopf ab und schaut zum Fenster hinaus in den Himmel.
    »Haben Sie Schmerzmittel genommen?«
    Sie gibt keine Antwort. Er wiederholt die Frage.
    »Sie muss sehen, dass Sie mit ihr sprechen«, erklärt das Dienstmädchen am Bett.
    »Wie?«
    »Sie muss sehen, dass Sie die Lippen bewegen, Sir. Sie ist taub.«
    Er beugt sich über das Bett und wedelt mit der Hand vor Mrs Karrefax’ Gesicht, bis sie sich zu ihm umdreht. Er wiederholt die Frage noch einmal. Sie scheint ihn zu verstehen, lächelt aber nur unbestimmt.
    »Hin und wieder ein bisschen Laudanum, Sir«, erklärt das Dienstmädchen am Bett.
    »Ich bevorzuge Chloroform«, sagt Learmont.
    Mrs Karrefax’ Augen leuchten auf. Ihre sanfte, belegte, eigenartige Stimme fragt:

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