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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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mit allem um dich herum verbunden, mit den Streifen und Wattewölkchen …«
    »Na gut, aber wie willst du die malen? Die Explosion der Granate dauert eine Sekunde – die Explosion selbst, meine ich, das, was ich eigentlich malen sollte, schließlich bin ich ein Kriegsmaler. Eine Wolke bleibt ewig – jedenfalls deutlich länger. Was also sollte ich ehrlicherweise tun? Der Explosion
dieselbe Dauer verleihen wie der Wolke? Wie kann man von mir erwarten, dass ich Zeit male? Wie will man erwarten, dass ich überhaupt irgendwas male?«
    »Warum malst du es nicht einfach, wie du es siehst?«, fragt Serge.
    »Kann ich nicht machen«, jammert Carlisle. »Nichts verhält sich reglos genug, um sich malen zu lassen. Die Erde bleibt nicht reglos, die Luft nicht, nicht das kleinste bisschen bleibt ruhig genug. Selbst die Farbe schwappt in den Flaschen hin und her und spritzt mich voll.«
    »Vielleicht ist das ja Kunst«, sagt Serge. »Diese Aktion, meine ich, das Chaos …«
    »Jetzt, Karrefors, redest du Blödsinn«, rügt Carlisle ihn in enttäuschtem Ton. Er leert ein weiteres Glas und brummelt dann verbittert vor sich hin: »Daran ist allein diese Show schuld.«
    »Was für eine Show?«, fragt Serge.
    »Diese verfluchte Ausstellung!«, zischt Carlisle. und Konsorten. All dies … dies …« Seine Geste umfasst die Decke, vielmehr den Himmel, dann die Wolkengläser und die Feldpfütze auf dem Tisch. » … ist doch nur eine Folge von dem .« Er stochert mit ausgestrecktem Zeigefinger gen London. » Sobald im Grafton der Korken knallt und der Giftdschinn aus der Flasche wabert, steht der Ausgang dieses Krieges fest. Ist nur eine Frage der Zeit.«
    Cécile gleitet durch die Nebentür herein und geht zum Ausgang. Serge fängt ihren Blick auf, und sie wartet.
    »Das Hauptquartier moniert, meine Bilder seien nicht photographisch genug«, murrt Carlisle. » Sag ich: ›Dann macht doch Photos.‹ Herrgott noch mal! Und jetzt wollen die Offiziere in der Messe auch noch, dass ich ihre Karikaturen male. Ich habe bei Tudor-Hart studiert, und die wollen, dass ich Karikaturen abliefere!«

    Serge steht von seinem Platz auf und geht hinüber zu Cécile.
    »Du warst über eine Woche nicht hier«, sagt sie.
    »Musste fliegen«, erwidert er. »Kann ich dich sehen?«
    »Komm zu mir.« Sie drückt ihm einen Schlüssel in die Hand. »Warte zehn Minuten und komm dann nach.«
    Sie geht. Serge kehrt ins erste Zimmer zurück, um mit der 104. noch ein Glas zu trinken, dann schleicht er sich davon und durchquert ein Labyrinth unbeleuchteter Straßen, geht an offenen Fenstern vorbei und sieht kärgliche Abendessen auf rissigen, von Termiten zerfressenen Tischen. Céciles Türschloss ist gut geölt, das Treppenhaus dunkel. Er tastet sich zu ihrem Zimmer hinauf. Das Licht kommt von einer trüb flackernden Paraffinlampe, und als Serge daran vorbeistreift, verlängern sich die Schatten, schwanken über den Boden und die kahlen Wände. Im Zimmer steht nicht viel: Den meisten Platz nimmt ein Bettgestell ein, dessen schwarzen, glänzenden Rahmen Messingknäufe zieren. Eine grob gehäkelte Tagesdecke wurde zurückgeschlagen und liegt zusammengefaltet auf der Seite, die der Tür am nächsten gelegen ist. Es gibt nur ein einziges kleines Fenster, die Jalousie ist herabgelassen. Davor steht ein Tisch; in einer Tasse schwimmt noch ein Rest Kaffee; daneben sieht Serge zwei leere Eierschalen in blauen Eierbechern, flankiert von Holzlöffeln.
    »Das Frühstück von gestern«, sagt Cécile.
    »Frühstückst du immer zwei Eier?«, fragt er.
    »Nein«, sagt sie, als sie sich auszieht, »nur eins.«
    Sie reden nicht viel – jedenfalls nicht vorher. Serge dreht Cécile zur Jalousie, kniet sich hinter ihr aufs Bett und lässt seine Hand über ihren Rücken wandern. Sie gibt Laute von sich wie eine Katze: ein leises Wimmern, das sich zwischen den Schatten an der Wand verliert. Hinterher liegt sie neben ihm auf dem Rücken, und er streicht ihr über den Bauch.

    »Hier ist was weggesprengt«, sagt er und tippt auf eine Stelle neben ihrem Bauchnabel.
    »Da war ein Leberfleck«, erwidert sie. »Ich hab ihn abgesengt.«
    »Das sieht man«, sagt Serge. »Ich spüre noch die Brandflecken.«
    Sein Blick fällt auf den Boden neben ihrem Bett, und er entdeckt ein Buch. Er langt danach, hebt es auf: ausgewählte Gedichte von Friedrich Hölderlin, auf Deutsch.
    »Hat mir letztes Jahr ein Freund dagelassen«, erklärt sie. »Ein Offizier.«
    »Ein deutscher Offizier?«
    Sie zuckt mit

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