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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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Händen und dreckigen Ellbogen abgeschliffen, mit Weinflecken übersät. Zwei Kellner, deren Haar so fettig ist, dass Gibbs sie im Suff mal beschuldigt hat, vom Maschinenölvorrat der Staffel zu stibitzen, bewegen sich träge wie Spinnen durch ein Netz aus grauem Zigarettenrauch, der so hartnäckig in den Räumen hängt wie die Dunststreifen und Geschossbäusche über der Front.
    »He, garssong ! «, sagt Clegg, als einer der Kellner zwei Flaschen vor ihm abstellt. »Bring noch zwei zu diesen Homos von der 89. nach nebenan. Komprännee ? Zwei butaillje, Homos, kater-väng-nöff …«
    Serge erklärt dem Kellner auf Französisch, was Clegg meint, bringt dann aber die Flaschen selbst ins Nachbarzimmer. Im Encas begegnen sie oft den Männern von der 89.; ihr Flugplatz ist nur vier Kilometer entfernt. Und jedes Mal, wenn Serge auf Carlisle trifft, kommen die beiden ins Gespräch. Carlisle ist weder Pilot noch Beobachter; er ist Künstler. Vor dem Krieg hat er an der Slade studiert, Londons Hochschule der Schönen Künste, bekam dann Tarnungsaufgaben zugeteilt und entwickelte ein auf Goethes Farbenlehre basierendes System, das er auf Flugzeuge anwandte, indem er blaue, violette und gelbe Streifen über Rumpf und Flügel zog – nur stellte man dann
fest, dass diese Tarnung bloß bei Draufsicht funktionierte, ein Vorteil, den man für derart begrenzt hielt, dass man das Projekt abbrach, nachdem lediglich zwei Flugzeuge angemalt worden waren. Statt Carlisle aber zurückzuberufen, versetzte ihn das Kriegsministerium dauerhaft als offiziellen Kriegskünstler zur 89. Fliegerstaffel. Er hat für seine neue Stelle nicht viel übrig.
    »Es funktioniert einfach nicht«, stöhnt er, als Serge ihm einschenkt. »Sobald man fliegt, ist sie unmöglich.«
    »Was denn?«, fragt Serge.
    »Die Kunst! Sag, Kounterfax, wie lautet die wichtigste Regel der Landschaftsmalerei?«
    »Karrefax.« Serge denkt an seinen Unterricht bei Clair zurück, doch fällt ihm nichts ein. »Keine Ahnung.«
    »Horizont!« Carlisle schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch. »Man braucht einen verdammten Horizont, wenn man eine Landschaft malen will! Und was verschwindet als Erstes, wenn irgendein Verrückter in deinem Rücken seine Loopings dreht?«
    »Der Horizont?«, mutmaßt Serge.
    »Karvers, du bist ein kluges Köpfchen, aber du verstehst noch nicht einmal die Hälfte, mein Freund! Es verschwindet nicht allein der Horizont, oh nein. Sieh her.« Er rückt drei halb volle Weingläser zusammen. »Das hier sind Wolken. Und hier«, fährt er fort, tunkt den Zeigefinger in eine Pfütze und verschmiert den Wein über den Tisch, »sind die französischen Felder mit ihren hübschen Farbmustern. Wenn du sie dir jetzt von hier anschaust«, er zieht Serges Kopf dahin, wo sein eigener gerade noch gewesen ist, »verlaufen sie ineinander. Was ist Wolke? Was Land? Kannst du erkennen, was von der Flüssigkeit im Glas ist, was auf dem Tisch?«
    »Ist das denn wichtig?«, fragt Serge.
    »Natürlich ist das verdammt noch mal wichtig«, brüllt Carlisle. »Wie willst du was malen, wenn du nicht sehen kannst,
was es ist?« Seine Stimme wird leiser, der Ton aber drängender, als er sich eine Flasche greift, sie langsam über die drei Gläser wandern lässt und sagt: »Eine Gewitterwolke zieht vorbei; ein Streifen Wald wird dunkler – oder war er schon dunkel? Wer weiß? Und dann, um alles noch schlimmer zu machen, siehst du plötzlich mitten auf einer Lichtung was Geschriebenes!«
    »Popham-Tücher«, sagt Serge. »Die liegen da, weil die Batterien keine Signale schicken, nur empf …«
    »Ich kann doch keine Buchstaben malen!« Carlisles Stimme ist um eine halbe Oktave höher geworden. »Malen ist Malen, Schreiben Schreiben – vermenge nie, was nicht zusammengehört. Ästhetisch gesehen ist das grundfalsch: die Tiefe und Textur einer sommerlichen Landschaft platt gewalzt auf ein flaches Blatt.«
    »Gerade das mag ich daran«, sagt Serge.
    »Ich versuche, gar nicht nach unten zu schauen«, fährt Carlisle fort, ohne ihn zu beachten, und trinkt eine der Wolken aus. »Aber nach oben schauen ist genauso schlimm! Am Himmel gibt es keine Perspektive, mein Freund. Ein Pünktchen vor dir könnte eine EA sein, die auf dich zurast, um dich zu töten; es könnte aber auch eine Fliege sein, die auf deiner Nase gelandet ist, oder gar ein Jupitermond, wer weiß. Da oben hat man kein Maß, mit dem sich die eigene Position bestimmen lässt …«
    »Hat man wohl«, erwidert Serge. »Du bist

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