Kabal: Gesamtausgabe der Order of Burning Blood Trilogie Band I bis III (German Edition)
Aber warum Seraphia?«
Sie flüsterte. »Sie nannte mich Zeremonienmeisterin. Und sie trug eine blaue Robe.«
»Das hätte doch auffallen müssen!«, rief Charna wütend.
»Es wird Zeit, dass hier wieder jemand ein Auge auf die Dinge wirft.«
Charna und Faunus drehten sich um. Es war Cendrine, die gesprochen hatte. Sie bückte sich zu der verkohlten Leiche herunter und hob die Augenbrauen.
»Sie haben womöglich den Tempel infiltriert«, sagte sie und stand ruckartig auf. »Der MA-Reaktor!«
Charna verschwand in einem Aufblitzen. Alle anderen rannten auf den Flur hinaus. Seraphia war zu benommen, um ihnen sofort zu folgen. Sie starrte auf die dampfende Leiche und sah immer noch das zarte Gesicht der Eishexe vor sich.
Sie sah so jung aus.
Vor der Tür waren laute Stimmen und Unruhe. Alarmglocken wurden geschlagen. Schritte hallten im Gang. Sie gab sich einen Ruck und ging langsam hinaus. Es kostete sie Überwindung, ihren Fuß über die Leiche hinwegzusetzen und innerlich krümmte sie sich zusammen, angesichts der Gewalt, die sie der jungen Frau angetan hatte. Der Geruch des verbrannten Fleisches ließ sie erschauern und sie würgte heftig. Den Blick immer noch auf den qualmenden Körper gerichtet, stolperte sie rückwärts auf den Gang hinaus und traf auf ein unbewegliches Hindernis. Sie drehte sich um.
Auf Höhe ihrer Augen war ein Bauchnabel auf einem muskulösen Rumpf von tiefschwarzer Farbe, der von einer breiten, goldenen Schärpe mit dem Symbol des Schwarzen Labyrinths umgürtet wurde. Sie ließ den Blick in ein breites, nicht ganz menschliches Gesicht hinaufwandern und musste dabei den Kopf in den Nacken legen. Ein mächtiger Minotaur stand vor ihr und sie erstarrte. Der Koloss trug ein rotes Tuch um die Hüften, das sehr feierlich aussah, und neigte höflich sein markantes Haupt. Sie kannte diese Gestalt nur aus den heiligen Schriften und von Statuen und Reliefs im Tempel. Doch sie war zu benommen, um eine angemessene Begrüßung zu äußern und starrte den Riesen einfach nur an.
»Ihr müsst Seraphia sein. Mein Name ist Thanasis. Bleibt bei mir und es wird Euch nichts geschehen.« Die Stimme des Minotaurs war dunkel und erklang voll aus den Tiefen seiner titanischen Brust. Er schaute an ihr vorbei in das Zimmer und entdeckte den Leichnam. »Es scheint jedoch, Ihr könnt ganz gut auf Euch selbst achtgeben.«
Sie wurde blass und brach in Tränen aus, als sie auf ihre Tat angesprochen wurde. Sie hatte Menschen in Notwehr verletzt und einmal einen Wegelagerer mit einem Feuerstrahl getötet, als dieser sie mit einem Schwert angegriffen hatte. Er war sofort tot gewesen. Aber noch nie hatte sie mit der Dunklen Flamme getötet .
Es war grausam gewesen.
Und das Schlimmste war, ein Teil von ihr hatte es genossen. Sie zuckte zusammen, als Sinneseindrücke vom Kampf erneut vor ihrem geistigen Auge aufblitzten.
Diese furchtbare Stimme ...
Sie dachte an die Genugtuung, die ihr die Schreie der Eishexe bereitet hatten. Es war mehr als die Erleichterung des Überlebenden gewesen, die sie empfunden hatte, als ihre Gegnerin starb. Sie spürte jetzt noch ein intensives Echo der lustvollen Erregung, die sie durchflutet hatte, und biss sich auf die Lippen. Die Erkenntnis darüber, dass ihr der Gebrauch der Dunklen Flamme zum Töten einen Schauer des Wohlgefühls durch den Leib gejagt hatte, ließ eine große Übelkeit in ihr aufsteigen. Hautnah hatte sie miterlebt, wie der zarte Körper der jungen Frau in der Umarmung der Dunklen Flamme allmählich verbrannt und die Lebensenergie der Eishexe auf sie übergegangen war. Und sie hatte es auf so unnatürliche Weise genossen, dass sie vor Scham am liebsten im Boden versunken wäre.
Der Minotaur sah sie forschend an. Dann ging das Licht an der Decke aus. Aufgeregte Stimmen erklangen und einen Moment später wurden Öllampen in den Händen vorbeieilender Adeptinnen sichtbar. Seraphia sah alles durch den Schleier ihrer Tränen. Sie weinte still.
Ich habe sie zu Tode gequält.
Thanasis nahm einer Adeptin die Öllampe ab und stellte sie an Ort und Stelle ab. Er sah Seraphia an und schien ihre Gedanken zu lesen.
»Ein Leben zu nehmen, ist eine schwere Bürde. Ihr seid die Herrin der Dunklen Flamme geworden, weil es Euch besonders schwer fällt, so etwas zu tun. So behaltet Ihr die Kontrolle. Ich will nicht sagen, dass Ihr euch daran gewöhnt oder gar gewöhnen solltet, aber Ihr werdet darüber hinwegkommen.«
Sie schüttelte entsetzt den Kopf.
Eine Frau trat zu ihnen.
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