Kabal: Gesamtausgabe der Order of Burning Blood Trilogie Band I bis III (German Edition)
zu.
»Erhebt euch, meine Schwestern! Ich will heute keine Protokolle mehr befolgen müssen. Mir tun die Knochen weh und ich könnte einen ganzen Eber auffressen.«
Seraphia starrte entsetzt auf Charnas schmutzige Füße, bevor sie aufsah. Die Hohepriesterin bekam nichts davon mit, denn sie warf der Äbtissin einen prüfenden Blick zu. Cendrine sah zu Boden und Charna warf die Stirn eine Sekunde lang in Falten, bevor sie sich Seraphia zuwandte.
»Sera mein Engel, wie schaffst du es nur, immer so ordentlich auszusehen? Sieh mich nur an! Ich schaue schrecklich aus!« Sie wackelte mit den schmutzigen Zehen. »Lasst uns in meine Gemächer gehen. Dann reden wir.«
Seraphia klappte ihren offenen Mund zu. Die ungewohnt lockere Art der Hohepriesterin schockierte sie. Sie gab sich einen Ruck und folgte Cendrine und Charna, deren zarte Gestalt trotz ihres Gejammers so energiegeladen wirkte, als könnte sie einen Berg versetzen.
Sie verließen die Haupthalle des Inneren Sanctums über eine Seitentür, die sie in ein Treppenhaus führte. Spiralförmig angeordnete Stufen waren aus dem Felsen getrieben worden und leiteten sie zügig nach oben, während schmale Fensterschlitze einen Ausblick auf das Innere Sanctum gewährten. Diese Treppe war schlicht dekoriert und offensichtlich gerade neu erbaut worden. Als sie sich dem oberen Ende näherten, waren die Stufen noch grobe Formen, auf denen Werkzeuge und Geräte der Steinmetze herumlagen.
»Diese Treppe verkürzt den Weg in die Wohngemächer ganz erheblich. Das war ein guter Einfall von dir.«
»Ich wünschte, es wäre meine Idee gewesen. Der neue Architekt ist darauf gekommen. Er ist bei den Shedau‘Kin aufgewachsen und hat in den Stollen gearbeitet. Es scheint, die Zwerge haben etwas von ihrem Geschick auf ihn übertragen. Er findet die besten Wege durch das Gestein Idraks.«
Charna dirigierte sie aus dem Treppenhaus durch eine schwere Holztür, die noch etwas nach Harz roch, in einen weiteren Gang. Hier war die Decke nicht so hoch und der Flur selbst war breit genug, aber im Vergleich zur Gigantenarchitektur des Inneren Sanctums nahm er sich wie ein Ameisengang aus. Dieser Korridor war länger und knickte zweimal ab, bevor er zu einer weiteren Treppe führte, die den ursprünglichen Weg in die Wohngemächer darstellte. Türen flankierten die Seiten, auf denen sie Namensschilder erkannte. Die ranghöchsten Schwestern und einige Würdenträger auf Besuch wohnten anscheinend hier. Dieser private Teil des Tempels war gemütlicher als das Innere Sanctum und sehr viel ruhiger als die öffentlichen Straßen und Wege, die den Berg wie tausendfach verzweigte Adern durchzogen. Seraphia warf neugierige Blicke auf ihre Umgebung. Aufwändig gearbeitete Truhenbänke ruhten wie behäbige Nilpferde neben den Zimmern, dicke Wandteppiche dämpften die Geräusche und hier und da stand eine kleine Statue oder eine Vase mit Schnittblumen darin. Zahlreiche Lampen unter der Decke erzeugten ein helles Licht. Seraphia erkannte die Leitungen zwischen den Lampen und wusste, dass hier kein Öl nachgegossen, keine Flamme entzündet werden musste. Sie rief ihre Aurasicht herbei und nahm das charakteristisch blaue Leuchten des Luft-Elementes wahr. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Cendrine ebenfalls einen Blick nach oben warf.
Die Äbtissin deutete auf die Lampen. »Gab es schon Beschwerden?«
Charna machte eine verächtliche Geste. »Natürlich. Es sei kein echtes Feuer darin, Blah-Blah-Blah. Wir haben Wichtigeres zu tun, als unsere begrenzten Ressourcen damit zu beschäftigen, Öl in die Lampen zu gießen. Es werden mehr Leuchten dieser Art und andere Maschinen installiert. Ich habe einen MA-Reaktor neu aktivieren lassen, also sollten wir genug Energie dafür haben.«
»Charna!«, Cendrine blieb stehen, ein Ausdruck des blanken Entsetzens auf ihrem Gesicht. »Der letzte MA-Reaktor auf Iidrash erlosch vor mehr als achthundert Jahren. Die Reaktoren im Tempel müssen noch älter sein. Das Risiko ist Wahnsinn!«
Hohepriesterin und Äbtissin standen sich gegenüber, sahen sich einen Moment ernst an. Der endlose Kleinkrieg, den sie führten, seit die Tochter Sarinacas erwachsen geworden war, drang damit erneut an die Oberfläche. Seraphia versuchte, die beiden Frauen nicht anzustarren.
Ein Lächeln schlich sich schließlich auf Charnas Gesicht. »Wir hatten Hilfe von außerhalb Kabals. Der Reaktor ist fast komplett neu und weit besser, als die alten Maschinen in den Eingeweiden dieses Berges. Deine
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