Kabbala-Box (2 Romane in einem Band)
einem Produkt ab … nichts zu erkennen. Wirbt sie für sich selbst? Doch da – halt – ich entdecke einen kleinen Fleck auf dieser mit Photoshop 0.3 bearbeiteten Bildoberfläche. Ihre porentief reine Haut, die wie Nylon über ein Skelett gezogen aussieht, wirkt gemeißelt und hart wie Marmor, und doch ist auf der rechten Wange ein kleiner Fleck zu erkennen. Sofort denke ich an Krebs, Hautkrebs. So viel Make-up, Tusche, Schminke, Anti-Falten-Creme und Hämorrho iden-Salbe damit die Schatten verdeckt bleiben. Verwerfen. Weg damit. „Schneidet den Fleck doch raus!“
Ich versuche mich an die Nachrufe zu erinnern, die in den letzten Monaten durch Krebstote entstanden sind. Kim war nicht dabei!
Lichtpunkte schlendern über den Parkplatz, hin zum Eingangsportal der Disco.
Zwei Typen, nicht weit von mir entfernt, labern herum, zuerst über ihre teure Uhren, dann über ihre Frisuren, der eine ruft den anderen Leon, der andere heißt Michael, ich weiß das, weil ich ihn kenne. Er ist Frisör und hat mir letzten Sommer die Haare geschnitten. Sie sehen mich nicht. M ichael erzählt von seiner neuen Eroberung, einem älteren Mann, einem Adeligen, der ihm schöne Augen gemacht hat, als er im Kaiserfeld Cafe gesessen und etwas getrunken und auf einen Freund gewartet hat. Da hat der alte Adelige ihn angesprochen. Sie fanden sich gleich anziehend. Michael weil der Adelige Geld hat und der Adelige weil Michael erst 20 Jahre ist. Bloß zwei Weicheicher, denke ich mir, die auf einem Parkplatz stehen, sich unterhalten und wahrscheinlich kein Passwort besitzen, um ins Break-up zu kommen. Sie labern, sie vergeuden ihre Zeit, sprechen in einer bestimmten Art, stylen sich individuell, rauchen schwul, reden tuntig, ihre Sprache ist unklar, ihre Haltung richtungslos, denn eigentlich hat keiner wirklich was zu tun, in der ganzen verdammten Stadt hat niemand wirklich was zu tun, deshalb tun alle dasselbe und reden über ihre Probleme und wie scheiße die neue Lady Gaga CD ist (ich finde sie toll!) und dass kein Horrorfilm wirklich Angst erzeugt (bei Tanz der Teufel scheiß ich mir jedes Mal in die Hosen) und alle wollen sie bumsen und cool sein und alle wollen sie einen Waschbrettbauch und sie wollen und sie wollen und sie wollen und sie wollen, wollen, wollen, wollen.
Dann betrachte ich die in großen Lettern geschriebene Schrift über dem Betonblock, dort steht geschrieben: Break-up . Hinten schwanken große Lichter, wie bei einer Filmpremiere, Leute kommen rein und Leute gehen raus, die zwei Typen stellen sich bei der Warteschlange an. Einige von ihnen lachen laut, und andere sind wieder ganz leise. Ein eigenartiges Gefühl. Aber es stimmt, was die Leute sagen. Entweder treten die Schwulen in Rudeln auf oder sie sind Einzelgänger. Mein Handy vibriert, Claudia hat sich gemeldet, sie kommt nicht mehr, hat sie geschrieben, sie ist mit David beschäftigt. Ach Gott, wie ich diese Kifferinnen doch hasse. Aber immerhin hab ich das Passwort für den neuesten Schwulen- und Lesben-Treff bekommen. Von überall reisen sie an, um dieses wöchentliche Event, das aus Exzessen und dem Gesehen-werden besteht, zu erleben. Manchmal wundert es mich nicht, dass „normale“ Menschen Angst vor uns Homosexuellen haben. Es sieht fast immer so aus, als würden wir feiern und Drogen nehmen. Ich bin nicht die Spitze des Eisbergs.
Ich erhebe mich, ein letzter Blick gebührt dem nimmermüden It-Girl K im Kardashian, die alles tut, um ihre Brüste und ihren Arsch ins Rampenlicht zu zwängen. Kim ist die amerikanische Antwort der deutschen Kada Loth. Und die Vorstellung, Kim hätte wirklich Haut-Ekzeme, kommt mir wie eine Erleichterung vor. Aber noch ist das ein Gerücht, denn in der letzten inTouch -Ausgabe war nichts davon zu lesen, auch die Gala und die Bild berichteten nichts von einer derartigen Hautirritation. Eine jede Darmspülung eines It-Stars wird sonst live im Internet und nachstehend in den Magazinen und Zeitungen mit vollem Kameraeinsatz dokumentiert und für Fans (und Interessierte) abgebildet.
Immer mehr Autos parken auf dem großen Parkg elände, vereinzelt hat man ein paar Bäume als Begrenzungspunkte in den Beton gepflanzt. Natürlich und Unnatürlich geben sich hier die Hand, aber es sieht trotzdem scheiße aus. Bei jedem Spar oder Billa machen sie die gleiche Sülze, sie pflanzen irgendwas Grünes in den Beton ein, um möglichst gut dazustehen und um sagen zu können: „Wir sind für die Umwelt und pflanzen sogar Bäume
Weitere Kostenlose Bücher