Kabeljau und Kaviar
Bett etwas verstelle?« bot Max an.
»Lieber nicht. Dieser weibliche
Savonarola kommt bestimmt sofort angerannt und kurbelt es wieder runter, aus
reiner Freude daran, mich leiden und in Schmerzen winden zu sehen. Es wundert
mich, daß sie nicht auch noch einen Satz Daumenschrauben an ihrem Stethoskop
baumeln hat. Wo waren wir stehengeblieben?«
»Bei der Aufstellung der Hypothese, daß
dein Clubbruder Ashbroom nicht unbedingt daran zerbricht, daß er jetzt keine
Ehefrau mehr sein eigen nennt und dafür der alleinige Besitzer des ehemals
gemeinsamen Vermögens ist. Du hattest gerade angefangen, mir von seinem
Gärtnerleben zu berichten. Was treibt er denn so?«
»Das übliche, denke ich. Ed pflanzt
Sachen ein, die wachsen. Oder auch nicht, je nachdem.«
»Und wo pflanzt er sie ein?« Max
pflegte eine Engelsgeduld an den Tag zu legen, wenn er an einem Fall arbeitete.
»In seinem Garten, selbstverständlich.
Ach so, jetzt verstehe ich, was du meinst. Er ist ein Nachbar der Tolbathys
draußen in Bexhill. Besitzt armselige zwei Hektar oder so. Ich nehme an, das
reicht aus, um errötende Rosen und keusche Veilchen zu züchten.«
»Zweifellos. Und wohin pflanzt er seine
Passionsblume, wenn er sich gerade mit den keuschen Veilchen abgibt?«
»Nicht übel, mein Junge. Ich kann dir
allerdings nicht sagen, ob es sich wirklich um eine Passionsblume oder nur um
ein Schlinggewächs handelt, beispielsweise eine Studentin von Radcliffe, könnte ich mir vorstellen.
Ich bin in den eleganteren
einschlägigen Etablissements schon auf viele kultivierte und gebildete Damen
gestoßen, damals in den guten alten Zeiten, die jetzt leider für immer perdu sind. Habe ich dir übrigens schon mal von Mildred erzählt?«
»Nein, und falls du vorhast, mir diese
Geschichte ausgerechnet jetzt mitzuteilen, vergiß es. Wir haben ein wichtiges
Problem zu lösen, falls dir das entfallen sein sollte. Wir müssen unverzüglich
weitermachen. Kommen wir also lieber wieder auf Ashbrooms kultivierte und
gebildete Dame zu sprechen. Wohnt sie auch in Bexhill?«
»Alle Wetter, Mann, du hegst ja
wirklich merkwürdige Vorstellungen von unseren Vororten. Aber vielleicht liegst
du gar nicht mal so falsch. Ich vermute, daß Eds momentane Herzensdame hier
irgendwo auf dem Hill wohnt oder vielleicht drüben in der Back Bay. Man hat die
beiden zusammen im Copley Plaza und
in der Bar vom Ritz gesehen. Den
Gerüchten zufolge eine Rothaarige, sehr sinnlich und ungefähr vierzig Jahre
jünger als Ed, aber wir wissen ja, daß das Alter einer Dame immer ein Geheimnis
bleibt. Genau wie die Phantasien einiger Clubmitglieder, wie ich zugeben muß.
Ganz zu schweigen von ihrer Sehkraft.«
»Apropos Sehkraft«, unterbrach ihn Max.
»Was ist eigentlich mit diesem Durward? Ist er tatsächlich so blind, wie es den
Anschein hat?«
»Für wie blind hältst du ihn denn?«
»Nun ja, er hat mich beispielsweise mit
jemandem namens Ernest verwechselt, mit dem er mal im Chor gesungen hat.«
»Das war nur einer seiner Tricks. Quent
Durward hat dich mit niemandem verwechselt. Er hat dich mit Sicherheit atmen
hören und konnte kein Make-up riechen. Daraus hat er messerscharf schließen
können, daß du anwesend, lebendig und aller Wahrscheinlichkeit nach männlichen
Geschlechts warst, und dann hat er sozusagen einen Schuß ins Dunkel abgefeuert.
Er wollte dich zum Reden bringen, um dich an deiner Stimme identifizieren zu
können. Quent hat massenhaft raffinierte Tricks auf Lager. Die meisten führen
sein Verhalten auf seine Kurzsichtigkeit zurück und ahnen nicht, daß sie in
Wirklichkeit der List und Tücke eines eitlen alten Knaben zum Opfer fallen, der
einfach nicht zugeben will, daß er bereits seit 1963 blind wie ein Maulwurf
ist. Deshalb ist Quent auch todsicher der Mann, den du suchst.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Logik, mein Junge. Reine Logik. Es ist
immer der, von dem man es am wenigsten annimmt. Aus irgendeinem lächerlich
einfachen Grund, sobald der Modus operandi erst einmal klar ist.
Bestimmt hatte Quent irgendwo im Zug einen Blindenhund versteckt, der ihn zu
dem Kaviar geführt hat. In seinem Fall wird es ein russischer Wolfshund gewesen
sein, würde ich sagen.«
»Klingt einleuchtend«, gab Max zu.
»Können russische Wolfshunde auch zum Lokomotivführer ausgebildet werden?«
»Verdammt, Max, benutz doch mal deinen
Verstand! Er hat sich am Geruch des Maschinenöls orientiert und konnte so das
Schaltpult ganz einfach finden. Dann ist der Hund aus dem
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