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Kabeljau und Kaviar

Kabeljau und Kaviar

Titel: Kabeljau und Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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Kapitel
14
     
     
     
     
     
     
     
    M ax war sich nicht sicher, ob die
Adressen ihm überhaupt helfen würden. Jene, die er aufsuchen wollte, lagen
wahrscheinlich ohnehin noch im Krankenhaus oder waren sogar schon auf dem Weg
in die Leichenhalle. Und die Möglichkeit, im Krankenhaus anzurufen, um
Genaueres herauszufinden, durfte er getrost vergessen. Entweder war die
Zentrale nicht in der Lage, sich vor Anrufen zu retten oder hatte inzwischen
dichtgemacht. Sicher standen Polizisten vor den Eingängen und hinderten alle
außer den nächsten Angehörigen daran, die Opfer einer derart spektakulären
Massenvergiftung zu behelligen. Statt den ganzen Weg nach Bexhill umsonst
zurückzulegen, konnte er genausogut die Kandidaten aufsuchen, die leichter zu
erreichen waren.
    Edward Ashbrooms Zweitwohnung ausfindig
zu machen schien nicht aussichtsloser als alles andere auch. Im Telefonbuch war
sie nicht aufgeführt, aber das hatte Max auch gar nicht erwartet. Jem hatte
gemeint, die Wohnung müsse sich irgendwo in der Joy Street befinden. Die Nummer
hatte er nicht gewußt, doch die Straße war nicht besonders lang. Max erwartete
nicht, Ashbroom persönlich anzutreffen, doch er hoffte, daß vielleicht seine
Freundin daheim sein würde. Er schmunzelte, als er daran dachte, welchen
Freuden diese Straße ihren Namen verdankte, damals in den schlimmen Tagen, als
es noch keine Bars für einsame Herzen gab. Ashbroom war offenbar ein echter
Traditionalist.
    Wie viele Gesetzgeber mit steifen
Kragen hatten sich wohl in all den Jahren klammheimlich durch die Hintertür aus
dem State House davongestohlen, um sich zwischen der Ablehnung städtischer
Verbesserungen und der Befürwortung ihrer eigenen Gehaltserhöhung hier einen
Augenblick unschuldigen Vergnügens zu gönnen? Heute gab es dergleichen
natürlich nicht mehr. Mit einem Gouverneur, der lieber mit der U-Bahn fuhr als
mit seiner Staatslimousine und dessen Vorstellung von bacchantischer Schwelgerei
sich darin erschöpfte, sich ein Sandwich mit Corned Beef und kostenlosen Pickles
bringen zu lassen. Ein wahrhaft untadeliger Charakter, dachte Max. Möge seine
Wählerschaft niemals dahinschwinden. Er schickte sein stummes Gebet in Richtung
der Goldenen Rathauskuppel, die einst die Skyline von Boston dominiert hatte
und sich heute so winzig zwischen all den Glas- und Betonpalästen ausnahm.
    Max ging die Cambridge Street hoch und
dachte dabei über die entsetzlichen Ereignisse des vergangenen Abends nach. Er
versuchte sich die Telefonate ins Gedächtnis zu rufen, die er noch mit einigen
seiner Kontaktleute in den unterschiedlichsten Ländern zu erledigen hatte, und
wünschte sich, er hätte eine Stunde länger im Bett bleiben können, als ihm
plötzlich etwas ins Auge flog. Es war ein Staubkorn, das durch den schnellen
Schritt eines Mannes, der genau vor ihm herging, vom Bürgersteig hochgewirbelt
worden war. Max zückte sein Taschentuch und zupfte an seinen Wimpern, wie er es
bei den Pfadfindern gelernt hatte, um das Augenlid hochzuziehen, und blinzelte
heftig, um den ärgerlichen Fremdkörper loszuwerden.
    Als er sein Äuge endlich befreit hatte,
war der Mann bereits weit voraus, einer von vielen dunklen Mänteln in der
Ferne. Doch irgendwie kam ihm der Gang dieses Mannes bekannt vor. Max erinnerte
sich an Jems Lektion über Haare in der Nase und beschleunigte seine Schritte.
    Er war seit jeher gut zu Fuß gewesen.
Wenn er einen Spurt einlegte, vermochte er fast jeden Jogger abzuhängen. Es
dauerte daher gar nicht lange, bis er den anderen Mann eingeholt hatte.
    »Entschuldigen Sie bitte — «
    Weiter kam er nicht. Eine junge Frau
von der Heilsarmee stand mit ihrer Sammelbüchse neben ihm auf dem Bürgersteig.
Mit einem Mal fand sich Max mit der Frau, ihrer Sammelbüchse und dem Tambourin
am Boden wieder. Zu Ehren der hingebungsvollen Armee des Herrn muß allerdings gesagt
werden, daß die junge Frau beinahe ebenso um das Wohlergehen von Max besorgt
war wie um die überall umherrollenden Münzen.
    »Gott segne Sie! Haben Sie sich weh
getan?«
    »Gott segne Sie ebenfalls«, entgegnete
Max höflich, als sie sich gegenseitig aufhalfen und das Gestell mit den drei
Beinen, das die Sammelbüchse gehalten hatte, wieder aufrichteten. »Nein, ich
habe mir nichts getan. Und Sie?«
    »Nicht genug, um als Märtyrerin
anerkannt zu werden«, erwiderte sie fröhlich und rückte ihr marineblaues Cape
mit dem roten Besatz wieder zurecht, das sie über diversen Lagen

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