Kabeljau und Kaviar
umzurüsten?«
»Hm.« Rollo gab einen gurgelnden Laut
von sich, der sich wie ein Lachen anhörte. »Nö, das hätt’ ich wohl nicht.«
»Aber warum denn nicht? Sie haben doch
eben selbst gesagt, daß er einfach a l l e s konnte.«
»Deswegen hätt’ ich ihn ja eben nicht
gefragt. Wissen Sie, Mr. Wouter hatte schrecklich viel Phantasie. Damit mein’
ich, daß er einem zwar liebend gern ‘nen Gefallen tat, aber wenn er erst mal
damit fertig war, konnte man nicht sicher sein, ob der Kran auch wirklich Dreck
hochheben würde oder ob er nicht etwa The Wreck o’ the Old Ninety-Seven spielen oder sogar ‘ne frischgefangene Forelle braten würde.«
»Ich verstehe.«
Alle, die Wouter gekannt hatten, waren
in diesem Punkt offenbar einer Meinung. Niemand hatte ihm auch nur einen
Zentimeter über den Weg getraut, und zwar nicht etwa, weil er böswillig oder
unfähig gewesen war, sondern weil er einfach der Versuchung, seine Arbeit
interessanter zu gestalten, nicht hatte widerstehen können.
Andererseits hatte er für seinen
drachenbegeisterten Großneffen Wootie, der nach ihm benannt worden war, nicht
etwa einen Greif, ein geflügeltes Ungeheuer oder einen Kameloparden kreiert,
sondern einen durch und durch normalen Allerweltsdrachen. Offenbar hatte man
ihm lediglich eine völlig verrückte Aufgabe stellen müssen, um sicher zu sein,
daß er sie ganz nach Wunsch ausführte. Und genau das war offenbar geschehen,
vermutete Max. Wer aber mochte der Auftraggeber gewesen sein?
Kapitel
19
J em hatte Max erzählt, daß Dork, der
Mann mit dem Niednagel, ein unmittelbarer Nachbar der Tolbathys war — jedenfalls
für Bexhiller Verhältnisse. Da Dork zur gleichen Zeit wie Tom entlassen worden
war, sprach einiges dafür, daß er sich momentan ebenfalls zu Hause in seinem
Bett befand. Max beschloß, lieber nicht vorher anzurufen, um festzustellen, ob
Dork ihn zu empfangen gedachte oder nicht. War es doch weitaus schwieriger,
einen Besucher abzuwimmeln, der bereits auf der Türschwelle stand. So ließ er
sich also von Mrs. Rollo den Weg erklären und ging.
Dorks Anwesen bildete einen
interessanten Kontrast zu der würdigen, relativ schmucklosen Villa der
Tolbathys. Sein Haus war augenscheinlich von einem Liebhaber alter
Kuckucksuhren entworfen worden, und zwar zu einer Zeit, als das gotisch
Groteske bei den Viktorianern noch als der letzte Schrei galt. Es gab eine
Unmenge von Konstruktionen aus dunklem Holz, mit Schnitzereien und allerlei
Ornamenten verziert, diverse Zinnen, Krenelierungen, zahllose Fensterformen und
weiß der Himmel, was sonst noch. Wahrscheinlich lebten darin ein wunderlicher
alter Mann und eine wunderliche alte Frau, die wöchentlich dafür bezahlt
wurden, daß sie in Bauerntracht aus Lackmuspapier aus ihrer jeweiligen kleinen
Tür an der rechten oder linken Seite des Hauses heraustraten, sobald sich das
Wetter änderte.
Auf dem Rasen wuchsen bei weitem zu
viele Büsche, die man zu Kegeln, Kugeln, Obelisken, Kubussen und Dodekaedern
gestutzt hatte. Viele von ihnen trugen Kapuzen aus Jute, um sie vor der
Winterkälte und dem scharfen Wind zu schützen. Im Sommer boten sie bestimmt
eine reizvolle Kulisse für Stockrosen, Mittagsblumen und andere Blumen, die man
häufig auf kitschigen Grußkarten sieht, auf denen Kätzchen und Welpen mit
blauäugigen Babys inmitten der Blütenpracht vor riedgedeckten Häuschen Haschen
spielen.
Als Krönung fehlte nur noch eine Schar
kleiner Wildfänge mit Zipfelmützen, die fröhlich dahergetrabt kamen und ein
Weihnachtslied vom Tannenbaum mit den grünen Blättern unter ihren Jutekapuzen
trällerten. Doch die kleinen Wildfänge blieben leider aus. Geraume Zeit
erschien überhaupt niemand, und Max begann schon darüber nachzudenken, ob er
seine Nachforschungen nicht lieber anderswo fortsetzen sollte, als plötzlich
ein rotwangiges kleines Püppchen in einem roten Samtkleidchen und kecken
Ringelstrümpfchen die Tür öffnete.
»Fwöhlisse Weihnachten«, lispelte die
Kleine.
»Dir auch fwöhlisse Weihnachten«,
erwiderte Max. »Ist dein Gwoffater vielleisst zu Hause? Oder bisst du der
Butler?«
»Wer ist denn da, Imogene?«
Eine stämmige junge Frau in einem
bedauerlicherweise recht engen Kleid und rotweißen Ringelstrümpfen, in denen
ihre Beine aussahen wie zwei verbogene, spiralig bemalte Stangen, wie man sie
als Geschäftszeichen in den Schaufenstern amerikanischer Friseure findet, kam
nachschauen, wem ihr Sprößling die Tür
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