Kabeljau und Kaviar
sich
Max.
»Ganz gut. Im Moment ist er draußen in
der Kapelle und ringt mit Gott im Gebet. Aber er kommt bestimmt bald zurück.
Bei diesem Wetter ringt er nie sehr lange mit Gott. Wissen Sie was? Ich gehe
ihn rasch holen. Und dann trinken wir Tee und essen Scones und Honig am
Feuer im Bergfried.«
»Im Bergfried?«
»Ja, die letzte Zufluchtsstätte einer
Burg, wissen Sie. Damit ist bei uns der einzige Raum gemeint, in dem man sich
bei diesem Wetter aufhalten kann, ohne auf der Stelle zu erfrieren. Kommen Sie,
machen Sie es sich gemütlich. Es sei denn, Sie möchten lieber in die Kapelle
gehen und zuerst noch ein wenig beten.«
»Verbindlichen Dank, aber ich begnüge
mich mit dem Tee. Ich bin viel zu müde, um mit Gott zu ringen.«
»Ihnen ist gar nicht schlecht geworden
wie uns anderen, oder? Ich habe bemerkt, daß Sie den Kaviar nicht einmal
angerührt haben.«
»Tatsächlich?«
»Ja, ich achte immer sehr genau darauf,
was die Leute essen. Und trinken. Vielleicht möchten Sie einen Schluck von
meinem hausgemachten Honigwein kosten, bevor Sie Ihren Tee nehmen? Nur ein
Schlückchen zum Aufwärmen.«
Ehe Max noch ablehnen konnte, hatte sie
ihn bereits auf einen Stuhl gedrückt, der einen imposanten Thron für einen
angelsächsischen König abgegeben hätte, und schwirrte hinüber zu einem
Flaschenschränkchen, das einem Auktionator von Sotheby’s das Wasser in die Augen getrieben hätte. Sie kehrte mit zwei winzigen
Gläschen zurück, beide bis zum Rand gefüllt.
»Eigentlich sollten wir Trinkhörner
verwenden, aber wenn man gerade erst den Magen ausgepumpt bekommen hat, darf
man dem Honig nicht zu sehr zusprechen. Skol!«
»Ganz Ihrer Meinung.« Max nahm den
Fingerhut voll, den sie ihm reichte, überlegte einen Augenblick lang, ob sein
Inhalt vielleicht vergiftet war, entschied dann aber, daß es ihm schnuppe war,
und trank. »Sehr gut«, keuchte er und schnappte nach Luft. Offenbar war der
Honig, aus dem das Getränk gemacht worden war, von italienischen Killerbienen
gesammelt worden.
Während er noch darauf wartete, daß
seine Augäpfel wieder in die dafür vorgesehenen Höhlen zurücksanken, erschien
Bill Billingsgate. Ihm folgte eine Magd; Max war sicher, daß die Billingsgates
niemals etwas so Modernes wie ein Hausmädchen eingestellt haben würden. Sie
trug ein riesiges Tablett mit Tee und Scones.
»Ah, die Gäste sind versammelt, das
Fest kann beginnen.« Billingsgate trat ans Feuer und wärmte sich die Hände.
»Freut mich, daß Sie so fit sind, eh — «
»Jem Kellings Neffe Max«, erinnerte ihn
seine Frau.
»Ach ja, stimmt, Max. Ich bin noch
nicht ganz in die diesseitige Welt zurückgekehrt. Ich habe bis eben mit Gott
gerungen.«
»Das hat Abigail mir bereits erzählt.«
Max dachte darüber nach, ob er sich erkundigen sollte, wer gewonnen hatte, entschied
jedoch, diese Frage besser zu unterlassen. »Für einen kranken Mann sehen Sie
recht wohl aus, Bill. Wann sind Sie denn aus dem Krankenhaus entlassen worden?«
»Wir hatten Glück, wir gehörten zum
ersten Schub, den sie nach Hause geschickt haben. Unsere Tochter hat uns
abgeholt, und wir waren so gegen halb zehn wieder hier.«
»Haben Sie sich seitdem die ganze Zeit
hier im Haus aufgehalten?«
»Ja, und ich bin wirklich heilfroh,
hier zu sein, das kann ich Ihnen versichern. Melisande ist bis nach dem Mittagessen
bei uns geblieben. Dann war sie endlich überzeugt, daß Abby und ich überleben
würden; sie ist weggefahren, um ein paar Kästen Honigwein für ein
Renaissance-Bankett in Worcester auszuliefern.«
»Kommt sie heute abend noch zurück?«
»Nein, Melly hat ein eigenes Heim«,
warf Abigail ein. »Und eine eigene Familie. Sie wohnen in Shrewsbury. Aber sie
kommen über die Feiertage her. Ich hoffe, du hast unserem Herrgott auch dafür
gedankt, daß wir uns so schnell wieder erholt haben, Bill.«
»Worauf du dich verlassen kannst,
Abby.«
»Ich habe gehört, Sie hatten Glück,
weil Sie nicht genug Kaviar abbekommen haben, Bill«, sagte Max.
»Wir machen uns aus dem Zeug nicht
allzuviel, wenn ich ehrlich sein soll.«
»Ganz genau«, bestätigte Abigail. »Wir
geben mehr auf die einfachen Dinge des Lebens.« Sie griff nach der riesigen
silbernen Teekanne. »Sahne und Zucker, Max?«
»Danke, ich trinke ihn schwarz.«
Sie hob zwar die Augenbrauen, schenkte
ihm dann jedoch seinen Tee ein. Dann rührte sie in ihre eigene Tasse und die
ihres Mannes löffelweise Honig und Sahne, die so steif war, daß man sie
buchstäblich aus dem
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