Kabeljau und Kaviar
daß im Eßzimmer höchstens zehn Gäste
Platz haben. Ich habe Theonia gesagt, wir würden an einem anderen Abend
vorbeikommen.«
»Ist mir auch recht. Ich bin sicher,
wir werden uns auch so irgendwie beschäftigen können.«
Erfreut über diese vielversprechende
Aussicht ging Max die Drinks holen und begrüßte seinen ganz besonderen Liebling
unter seinen zahlreichen angeheirateten Cousins. »Grüß dich, Brooks. Vielen
Dank, daß du mir die Arbeit abnimmst. Wie wär’s mit einer kleinen Stärkung?«
»Hervorragende Idee.«
Brooks war gewandt wie ein
Eichhörnchen, gepflegt, elegant und geschmeidig für sein Alter. Er nahm seinen
Drink in Empfang, nickte Max kurz zu und ließ sich auf einem der Stühle nieder,
die Sarah um das künstliche Feuer im Kamin, aus dem dekorative Gasflämmchen
leckten, gruppiert hatte; Gott sei Dank war es während der letzten siebzig oder
achtzig Jahre dem Schicksal, völlig ausrangiert zu werden, immer wieder
entgangen.
Sarah und Max liebten ihr künstliches
Kaminfeuer. Nachdem Sarah jahrelang sowohl in dem alten Haus in der Tulip
Street als auch in ihrem Sommerhaus in Ireson’s Landing die Kamine hatte
reinigen müssen, war sie überglücklich, endlich keine Arbeit mehr mit Feuerholz
und Asche zu haben. Max, der keine hohen Ansprüche stellte, fand die hübschen
kleinen Reihen aus blauen Flammenzungen gemütlich und äußerst komfortabel.
Außerdem verschmutzte Gas die Luft weniger stark als unverbrannte Holzpartikel,
wie Brooks gerade ausführte. Sie wärmten sich die Füße am Kaminfeuer, nippten
an ihren Drinks, aßen die Käsecracker, die Sarah ihnen hingestellt hatte, und
waren glücklich und zufrieden.
»Hat heute nachmittag irgend jemand Jem
besucht?« fragte Max nach einer Weile.
»Theonia war gegen drei Uhr bei ihm«,
informierte ihn Brooks. »Die Physiotherapeutin hatte Jem gerade in seine
Gehhilfe gezwängt. Theonia sagte, es sei herzzerreißend gewesen.«
»Hatte Jem so große Schmerzen?«
»Nein, aber er war ausgezeichnet bei
Stimme.«
»Oh. Wie unangenehm. Hat Theonia
herausgefunden, wann er entlassen wird?«
»So schnell wie möglich, hat der Arzt
gesagt, und ich bin sicher, er meint es auch so. Ich hoffe nur, daß Jem nicht
noch einmal zur Zielscheibe solch übler Streiche wird, wenn er wieder zu Hause
ist. Max, was hältst du eigentlich von dieser Colchicin-Geschichte? Du glaubst
doch bestimmt nicht an eine russische Verschwörung gegen kapitalistische
Kaviarkonsumenten?«
»Du etwa? Ich bin allerdings auch nicht
sicher, ob ich die Erklärung mit der Gichtmedizin schlucken soll. Heute mittag
habe ich mich ein bißchen bei Jems Freunden umgesehen. Sie sind fast alle
leidenschaftliche Gärtner, aber ich konnte keinen finden, der Colchicum
züchtete. Zumindest hat es niemand zugegeben.«
Brooks stieß ein vornehmes Schnauben
aus. »Mein Gott, Junge, Colchicum gedeiht doch wirklich bei jedem. Wenn man
erst einmal die Knolle hat, kann überhaupt nichts mehr schiefgehen.«
»Wie meinst du das?«
»Colchicum hat im Gegensatz zum Krokus,
dem es zwar ähnelt, mit dem es jedoch nicht verwandt ist, die merkwürdige
Angewohnheit, einfach zu wachsen, sobald es soweit ist, egal ob man sich die
Mühe macht, es einzupflanzen oder nicht. Du weißt doch sicher, wie eine Zwiebel
anfängt zu treiben, wenn man sie zu lange in der Küche liegen läßt. Nun ja,
eine Colchicum-Knolle sieht aus wie eine Zwiebel und treibt nicht nur, sie
blüht sogar. Wenn man sie nicht wegwirft, blüht sie auf jeden Fall.«
»Und wo bekommt man die Knollen?«
»Überall. In Gärtnereien, Blumenläden,
vielleicht sogar in Kaufhäusern. Sie sind wirklich ganz leicht aufzutreiben.«
»Sind die Blüten genauso giftig wie die
Knolle und der Samen?«
»Allerdings. Ich habe gelesen, daß alle
Teile der Pflanze giftig sind.«
»Was würde passieren, wenn man eine
Knolle zerkleinert und unter passiertes Eigelb mischt?«
»Den Leuten würde es schlecht werden.
Gut gedacht, Max. Ich nehme an, man könnte die Knolle kleinhacken und unter die
Zwiebeln mischen. Ich habe keine Ahnung, wie Colchicum schmeckt, und auch keine
Lust, es herauszufinden. Aber der intensive Geschmack des Kaviars war
vermutlich stark genug, alles andere zu überdecken. Weißt du was, Max, ich
glaube, genauso ist es gewesen. Eigelb und Zwiebeln wären die perfekte Tarnung,
ebenso wie die Silberkette die ideale Verkleidung für den Giftmörder gewesen
ist.«
»Wie meinst du das?« wollte Sarah
wissen.
»Da er als Sommelier in
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