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Kabeljau und Kaviar

Kabeljau und Kaviar

Titel: Kabeljau und Kaviar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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Erscheinung
getreten ist, mußte er auch imposant und irgendwie offiziell aussehen. Ohne die
Kette hätten ihm die Frauen vom Party-Service vielleicht peinliche Fragen
gestellt. Sie hätten möglicherweise sogar Mrs. Tolbathy fragen können, ob sie
seine Anweisungen befolgen sollten oder nicht, und natürlich hätte das seinen
Plan ruiniert, obwohl er dadurch noch nicht in ernsthafte Schwierigkeiten
geraten wäre. Das Gift unter die Beilagen zu mischen war ein Kinderspiel. Er
mußte nur die Gelegenheit dazu haben. Ich hätte es ebenfalls ohne weiteres tun
können.«
    »Du bist ein Zauberer«, warf Sarah ein.
Sie meinte es durchaus wörtlich.
    In seinen mageren Zeiten hatte sich
Brooks häufig genug mit Zaubertricks und Kunststückchen auf Kinderpartys über
Wasser gehalten.
    »Dieser Kerl war auch ein Zauberer. Und
sogar ein ziemlich guter, finde ich. Mit Hilfe einer Kette hat er einem ganzen
Zug voll Menschen einen Sommelier vorgegaukelt, den es gar nicht gab. Als er
sie ablegte, verschwand auch der Sommelier. Indem er eine große Show abgezogen
hat, um zu beweisen, daß der Kaviar unberührt aus der Konservenfabrik gekommen
war, hat er die Aufmerksamkeit der Zuschauer von den Beilagen abgelenkt. Ein
recht geschicktes Täuschungsmanöver, wißt ihr. Er hätte die Schüsseln sogar im
Beisein sämtlicher Gäste vergiften können, obwohl ich annehme, daß er es getan
hat, als er das Tablett vom Dienstabteil in den Speisewagen getragen hat. War
irgend jemand in seiner Nähe, um ihm die Tür aufzuhalten, Max?«
    »Nein. Die Frauen waren beschäftigt,
und das Tablett war nicht sehr groß. Er hätte übrigens auch schnell in den
Waschraum schlüpfen können.«
    »Das brauchte er gar nicht«, meinte
Brooks. »Es war alles ein Kinderspiel. Er hatte bestimmt schon alles
vorbereitet, vielleicht in zwei kleinen Plastikbeutelchen, die er in der hohlen
Hand verbergen konnte, bis er das Tablett aufnahm. Den Inhalt hat er dann in
die Beilagen geschüttet, als er den Frauen im Dienstabteil den Rücken zuwandte,
unmittelbar bevor er den Speisewagen betrat. Als er die Schüsseln auf den
Tafelaufsatz stellte, hat er bestimmt kleine Löffel hineingesteckt. Damit hat er
das Gift verteilt. Er mußte nur ganz kurz umrühren.«
    »Wenn dabei nicht alles gleichmäßig
verteilt worden ist, würde das erklären, warum es einigen Fahrgästen schlechter
ging als anderen«, sagte Sarah. »Auch wenn jeder die gleiche Menge Kaviar
gegessen hatte.«
    »Absolut zutreffend. Offenbar war es
ihm völlig gleichgültig, wer krank wurde und starb, so lange überhaupt jemand
starb. Ein reizender Gedanke. Was ihn selbst betraf, konnte er sich darauf
verlassen, daß die Wirkung von Pflanzengiften normalerweise erst nach einer
ganzen Weile einsetzt. Das würde bedeuten, daß die Schüsseln wahrscheinlich
schon abgeräumt waren, ehe das Gift zu wirken anfing, was ja auch zutraf.
Colchicin braucht meistens sehr viel länger als in diesem Fall, doch die
Tatsache, daß die Leute sonst nichts gegessen und ziemlich viel getrunken
hatten, hat den Vorgang offenbar beschleunigt. Und man darf den Schreck nicht
vergessen, als der Zug so plötzlich bremste, womit ja keiner gerechnet hatte.
Außerdem gab es zweifellos auch eine Art Kettenreaktion, als es einem nach dem
anderen übel wurde. Was passiert ist, war zwar schrecklich, Max, aber du mußt
zugeben, es war hervorragend durchdacht. Ist das dein Timer, Sarah, oder das
Telefon?«
    »Das Telefon«, erwiderte Max. »Ich gehe
schon. Ich erwarte noch verschiedene Anrufe.«
    »Das ist ja was ganz Neues«, bemerkte
Sarah und gab ihm einen freundlichen Klaps, als er an ihr vorbeiging.
    Es war Gerald Whet mit seinem Bericht
über Obed Ogham. Max lauschte, sein Gesicht verfinsterte sich, dann bedankte er
sich, drückte auf die Gabel, wartete auf das Freizeichen und rief Egbert an.
    »Hallo, wie ist es denn gelaufen? Das
hat sie tatsächlich getan? Was sind Sie doch für ein gerissener Hund! Und was
Ashbroom anbelangt, hat sie da — da ist sie auch ganz sicher? Verstehe. Wo sind
Sie jetzt? Um Himmels willen! Nein, ist schon in Ordnung. Bleiben Sie ruhig, wo
Sie sind. Ich melde mich dann später noch mal bei Ihnen.«
    Er legte auf und eilte ins Badezimmer,
um seinen nassen Mantel zu holen.
    »Tut mir leid, daß ich dich mit dem
Essen sitzenlassen muß, Kleines, aber ich glaube, ich laufe rasch mal runter zu
Jem, bevor der Sturm noch schlimmer wird. Er hat Egbert nach Hause geschickt,
als es zu schneien anfing.«
    »Aber Max«,

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