Kabeljau und Kaviar
Linken, als er Max die rechte
Hand zum Gruß entgegenstreckte.
»So kommen Sie doch herein. Das ist
aber wirklich sehr freundlich von Ihnen, muß ich schon sagen. Was darf ich
Ihnen anbieten? Ich selbst trinke nur Wasser und gebe vor, es sei Champagner.
Eine fruchtlose Selbsttäuschung zwar, aber ich wage es einfach nicht, nach der
Nacht im Krankenhaus bereits etwas Stärkeres zu riskieren. Wie geht es Ihnen
eigentlich? Ich bin ganz erstaunt, daß Sie sich bei diesem fürchterlichen
Wetter überhaupt vor die Tür wagen.«
»Oh, ich wohne ganz in der Nähe, drüben
auf dem Hill«, erwiderte Max. »Nein, vielen Dank, ich möchte nichts trinken«,
teilte er dem wartenden Hausdiener mit. »Wann wurden Sie entlassen, Durward?«
»Keine Minute zu früh, soviel kann ich
Ihnen versichern. Wirklich ein Jammer, daß so ein vergnüglicher Abend so
schrecklich enden mußte. Aber das Schlimmste steht uns ja noch bevor. Drei
Beerdigungen vor den Feiertagen, und möglicherweise bleiben das nicht die
einzigen. Man kann ja nie wissen bei diesen heimtückischen Giften. Die Folgen
können verheerend sein, soweit ich weiß. Und Tom Tolbathys Kaviar wird aus
allen Geschäften zurückgerufen. Das wird ihn an seiner empfindlichsten Stelle
treffen.«
»Ich denke, der Tod seines Bruders hat
ihn so schwer getroffen, daß ihm das Geschäft ziemlich egal ist«, sagte Max.
»Aber es hat doch schon seinem
Urgroßvater gehört!« Durward klang wie ein aufgescheuchtes Huhn. »Und meinem
Urgroßvater, da wir schon mal beim Thema sind. Sie haben als Durward & Tolbathy angefangen,
wissen Sie.«
»Davon hatte ich keine Ahnung.«
»Oh ja, das geht zurück bis zu den
Tagen der ersten Handelsbeziehungen mit China. Tee, Gewürze, Pfeffer,
möglicherweise ein wenig Opium, aber davon wollen wir lieber nicht reden.«
Durward, der Mann von Welt. »Seide, Porzellan und vieles mehr war es am Anfang.
Wie bei den Kellings, wissen Sie.«
Offenbar eine rein rhetorische Frage:
Es war Durward völlig gleichgültig, was Bittersohn wußte oder nicht, denn er
beabsichtigte, ihn auf jeden Fall zu informieren. Bei den Clubbrüdern mochte er
sich damit begnügen, am Rande zu stehen und den anderen zuzuhören, aber jetzt,
da er einen Außenseiter vor sich hatte, nutzte er die Gunst der Stunde. Während
sein Gastgeber sich über gewonnene und wieder zerronnene Reichtümer ausließ,
sah sich Max aufmerksam um und gelangte zu der Überzeugung, daß die Durwards
offenbar nicht zu den Verlierern zählten.
»Sie haben wirklich eine schöne
Wohnung«, bemerkte er, als Durward zwischen chinesischen Dschunken und
Hausbooten eine kurze Verschnaufpause einlegte. »Diese großen Fenster hier sind
sicher ideal für Pflanzen. Sind Sie auch so ein begeisterter Gärtner wie Ihre
Freunde?«
Ȇberhaupt nicht. Die anderen versuchen
zwar immer, mir Pflanzen zu schenken, aber die überleben hier nie sehr lange.
Ich bin inzwischen so weit, daß ich ihnen frei heraus sage, daß mich Pflanzen
einfach nicht interessieren. Außerdem, aber das muß unter uns bleiben, sehe ich
so schlecht, daß ich die Dinger gar nicht unterscheiden kann. Ich habe am
liebsten Gegenstände, die ich anfassen und fühlen kann.«
Das war mehr als offensichtlich. Mit
den Nippsachen, die überall herumstanden, hätte Durward einen eigenen Laden
eröffnen können. Die meisten Figürchen waren Affen jeglicher Art, einige in
grotesken Positionen, andere wie Menschen gekleidet, aber alle von einer Art,
die ganz und gar nicht Max’ Geschmack entsprach. Einige wenige waren aus
Metall, die meisten jedoch aus Porzellan.
Es war eigentlich ein bißchen
verwunderlich, daß ein Mann, der kaum genug sehen konnte, um eine Pflanze zu
gießen, sich ausgerechnet mit derart kleinen und zerbrechlichen Gegenständen
umgab.
Durward machte Anstalten, Max die
Sammlung en detail vorzuführen. Max entschied, daß dies weit über seine
Pflichten hinausging.
»Jetzt muß ich aber wirklich los. Freut
mich, daß es Ihnen wieder besser geht, Durward. Könnte ich vielleicht Ihr Bad
benutzen, ehe ich gehe?«
»Selbstverständlich. Oko, zeig Mr.
Bittersohn bitte, wo sich das Bad befindet.«
»Ich finde mich schon zurecht. Sagen
Sie mir nur die Richtung.«
Oko verbeugte sich, grinste und ließ
sich nicht davon abbringen, Max höchstselbst zu der betreffenden Tür zu führen
und ihm die Gästehandtücher zu zeigen.
Max wusch sich die Hände, an denen
immer noch lästige Spuren vom Billingsgateschen Honig klebten, und trocknete
sie an
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