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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blum
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Internet keine Schattenwelt, sondern erstaunlich offen sei, schon weil es im Kern auf Kooperation und Informationsaustausch beruhe. Natürlich drehte es sich um das Streben nach Profit, aber immer im Bewusstsein, den Nutzern rechenschaftspflichtig zu sein. Google war die große Ausnahme. Man öffnete mir die Tore, aber letztlich nur zum Schein. Mir, und damit Ihnen, so die kaum verhohlene Botschaft, könne nicht anvertraut werden, was in dieser Fabrik vor sich geht – an jenem Ort, an dem wir Google (angeblich) unsere Fragen, Briefe, ja unsere Gedanken anvertraut haben. Plötzlich hatten die Grundfarben und die kindliche Verspieltheit so gar nichts Sympathisches mehr – ich fühlte mich behandelt wie ein Schuljunge. Diese Firma weiß vermutlich mehr über uns als jede andere, doch um sich selbst macht sie ein großes Geheimnis.
    Auf dem Weg nach The Dalles hatte ich den »Bonneville Dam« besucht, eine gewaltige Staumauer von einem Ufer des Columbia River zum anderen, gebaut und bis heute betrieben vom Army Corps of Engineers. Die Staumauer war gesichert wie eine Festung. Nachdem ich vom Highway abgefahren war, kam ich durch einen kurzen Tunnel mit einem riesigen, eisernen Tor. Eine bewaffnete Soldatin begrüßte mich, fragte, ob ich Waffen bei mir habe, und durchsuchte den Kofferraum. Dann tippte sie an ihre Mütze und hieß mich willkommen. Es gab ein Besucherzentrum mit Souvenirladen, Ausstellungen zum Bau der Staumauer und zum Ökosystem des Flusses sowie einen Raum mit Glaswand, durch die man den Lachsen dabei zusehen konnte, wie sie auf dem Weg zu ihren Laichgebieten die »Fischtreppe« hinaufschwammen. Es war eine typisch amerikanische Touristenattraktion, eine leicht kitschige Mischung aus beeindruckender Ingenieursleistung und überwältigender Natur, eine komplizierte Geschichte zwischen technischem Triumph und ökologischer Tragik. Für Infrastrukturfetischisten – ja, für jeden, der gern Fische beobachtet – war ein Zwischenstopp an dieser Staumauer ein Muss.
    Der Kontrast zwischen Staumauer und Rechenzentrum beschäftigte mich. Die eine gehörte dem Staat, das andere einem Privatunternehmen; beides sind stolze Beispiele amerikanischer Ingenieurskunst. Und sie sind funktionell miteinander verflochten: Es war unter anderem die Bonneville Power Administration, die Google in diese Gegend gelockt hat. Doch während die Staumauer Besucher herzlich willkommen hieß, wies das Rechenzentrum sie ab. Was, fragte ich mich, wenn Google ein Besucherzentrum eröffnen würde, mit einem Souvenirladen und einer Galerie mit Blick in den Serverraum? Ich glaube, dass das eine beliebte Touristenattraktion wäre, ein Ort, an dem man erfahren könnte, was sich hinter der weißen Google-Oberfläche eigentlich abspielt. Derzeit verfolgt Google die genau entgegengesetzte Strategie. Das Rechenzentrum ist fest verriegelt und dem Blick entzogen.
    In der Zeit, in der ich dem Internet diverse Besuche abstattete, hatte ich mich oft wie ein Pionier gefühlt: der erste Internettourist. Doch an der Staumauer wurde mir bewusst, dass dieses Gefühl vergänglich sein dürfte. Andere würden nach mir kommen. In diesen Gebäuden ist so viel über uns gespeichert, dass Google sich schwer tun wird, an seiner Position festzuhalten. Ich hatte mich auf den Weg zum Internet gemacht, um herauszufinden, was ich dabei lernen könnte. Von Google hatte ich ziemlich wenig gelernt. Während das Rechenzentrum im Rückspiegel immer kleiner wurde, dachte ich lieber nicht so genau darüber nach, was Google über mich wusste.
    * * *
    Es geht auch anders. Google war nicht der einzige Gigant, der in dieser Region vertreten war. Nördlich von hier lag Quincy, wo unter anderem Microsoft, Yahoo! und Ask.com große Rechenzentren unterhielten. Und keine zweihundert Kilometer südlich von The Dalles lag das Städtchen Prineville, vermutlich ähnlich knapp bei Kasse, aber völlig abseits ausgetretener Pfade. Und doch hatte Facebook beschlossen, eben dort sein erstes eigenes Rechenzentrum aus dem Boden zu stampfen, in einer ähnlichen Größenordnung wie in The Dalles. Vier Jahre nach Google hatte auch Facebook sich für diese Region entschieden – ein eindrucksvoller Beleg dafür, wie gut sich das Hinterland Oregons als Lagerplatz für Daten eignete.
    Ich ließ The Dalles hinter mir und folgte einer zweispurigen Straße, die aus dem Tal des Columbia River steil auf das Hochplateau im Herzen Oregons hinaufführte. Schnee wehte in dicken Schwaden vorüber und

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