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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blum
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sieht unser Firmengelände also aus. Wir sind jetzt einmal um das Gelände herumgegangen. Sie haben gesehen, womit wir es zu tun haben und was hier vor sich geht. Was die Zukunft betrifft, so können Sie sich hier einen Eindruck verschaffen, indem Sie sich einfach umsehen.« Ich kam mir vor wie bei einem Ratespiel – vielleicht von der Art, wie Jobbewerber bei Google es lösen mussten. Was blieb ungesagt? Sprachen sie in Chiffren? Was sollte ich hier denn bitte sehen? Auf einem himmelblauen Fahrrad fuhr ein bärtiger Mann vorbei. »Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir reingehen!«, sagte meine Aufpasserin.
    Das Mittagessen war köstlich. Ich hatte Bio-Lachs, einen gemischten grünen Salat und zum Nachtisch Erdnussbutter-Pudding. Eine Handvoll Googler war gebeten worden, sich zu uns zu gesellen, und als sie sich an den Tisch setzten, bat meine Aufpasserin sie einzeln, ein paar Worte darüber zu sagen, wie gut es ihnen in The Dalles und bei Google gefalle: »Können Sie Andrew erzählen, warum Sie gern für Google arbeiten und in The Dalles leben?«, fragte sie. Betts ist ein Experte für Rechenzentren, der stellvertretende Leiter einer Einrichtung, von der ich nur vermuten kann, dass sie eine der innovativsten der Welt ist, ein zentraler Baustein der vielleicht größten Computeranlage aller Zeiten. Doch Betts war mürrisch – er zog es vor, lieber gar nichts zu sagen, als den engen Bereich zu verlassen, den die PR -Abteilung ihm vorgeschrieben hatte. Also redeten wir über das Wetter.
    Ich überlegte, ob ich meiner Verärgerung über diese ganze Vorstellung Luft machen sollte. Betrachtete Google es nicht als seine Mission, Informationen zugänglich zu machen? Seid ihr hier nicht die Besten und Klügsten, begierig, euer Wissen zu teilen? Doch dann dachte ich mir, dass das Schweigen ja nicht ihre Schuld war. Es war von höherer Stelle verordnet. Es wäre unfair gewesen, es ihnen vorzuwerfen. Gestärkt von meinem Erdnussbutter-Pudding sagte ich am Ende lediglich, ich sei enttäuscht, das Rechenzentrum nicht von innen sehen zu dürfen. Das hätte mich interessiert. Die Antwort meiner Aufpasserin kam wie aus der Pistole geschossen: »Wir mussten auch schon Senatoren und Gouverneure enttäuschen!« Ein Typ, der von der Essensausgabe zurückkam, trug ein T-Shirt mit der Aufschrift: »Menschen, die alles zu wissen glauben, sind ein ziemliches Ärgernis für Leute wie uns, auf die das tatsächlich zutrifft.«
    Erst als ich wieder im Auto saß, wurde mir so richtig bewusst, wie befremdlich die ganze Veranstaltung gewesen war. Es war mit Abstand mein seltsamster Aufenthalt im Innern des Internets gewesen. Das Einzige, was ich von Google erfahren hatte, war, was ich alles nicht erfahren durfte. Ich fragte mich, ob ich Google vielleicht unrecht tat; ob die Orwell’sche Atmosphäre vielleicht einfach eine Nebenwirkung des legitimen Bestrebens war, Googles Firmengeheimnisse und unsere Privatsphäre zu schützen. Auf der Website des Unternehmens hatte ich sogar einen entsprechenden Hinweis gelesen (der später verschwand): »Uns ist bewusst, dass ein Rechenzentrum vielen Menschen wie eine ›Black Box‹ erscheint. Aber es gibt gute Gründe, weshalb wir nicht im Detail preisgeben, wo unsere Rechenzentren sich befinden und was in diesen Anlagen vor sich geht. Zum einen investieren wir viel Geld, um unsere Rechenzentren zu den schnellsten und effizientesten der Welt zu machen, und müssen diese Investitionen absichern. Noch wichtiger jedoch ist der Schutz der Privatsphäre unserer Nutzer, die uns ihre Daten anvertrauen. Damit geht eine große Verantwortung einher, und deshalb hat es für uns höchste Priorität, die Sicherheit und den Schutz dieser Daten zu gewährleisten, zumal Sie mit einem Mausklick zu den Produkten von Konkurrenzunternehmen wechseln können. Daher nutzen wir die bestmögliche Technik, um zu gewährleisten, dass unsere Rechenzentren und Dienste jederzeit gut gesichert sind.« 52
    »Das Ziel von Google ist es, die Informationen der Welt zu organisieren und für alle zu jeder Zeit zugänglich und nutzbar zu machen«, heißt es auf der Google-Homepage. 53 Doch in The Dalles hatte man sich sogar die Mühe gemacht, das Satellitenbild auf Google Maps zu verwischen – die Aufnahme war nicht einfach nur veraltet, sondern gezielt unkenntlich gemacht. Bei Dutzenden Besuchen, die ich verschiedenen Einrichtungen des Internets abgestattet hatte, waren die Menschen, die ich dort antraf, bemüht zu vermitteln, dass das

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